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Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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zog, es ansah, genau studierte, mich fragte, woher es wohl stammte – vielleicht von einem Boot, einer Jolle aus Holz, einem Fischkutter? Und ich weiß noch, wie ich mich in den nassen Sand setzte, mit dem verwitterten Stück Holz in der Hand, einen Schluck von der halben Flasche Whisky nahm und eine Zigarette rauchte … und dann, etwas später … wie ich hinüber zur Westseite des Strands laufe, wo unterhalb der Wiese der Sand in Kies übergeht, wie der Kies beruhigend unter den Füßen knirscht … und wie ich mich frage, weshalb hier Kies ist und nicht Sand – hat das mit den Gezeiten zu tun oder mit dem Alter, der Lage der Insel –, und genau da höre ich eine Stimme …
    »Alles okay?«
    … und einen Moment halte ich es für die Stimme in meinem Herzen oder meinem Kopf, doch es ist eine Männerstimme und ich kenne sie nicht. Und als ich langsamer werde und mich nach links umdrehe, sehe ich einen Mann auf den Holzstufen sitzen, die vom Park zum Strand herunterführen. Er ist groß und muskulös, mit langen, fettigen Haaren und Biker-Tattoos … der Mann, den ich mit Robyn zusammen am Wohnwagen gesehen habe. Er trägt eine schwere schwarze Jacke und Motorradstiefel, raucht eine Zigarette und starrt mich an.
    »Willst du irgendwohin?«, fragt er.
    Ich antworte nicht, sondern sehe ihn nur einen Moment an, registriere das Handy in seiner Hand und das schwarze Glitzern von Drogen in seinen Augen, dann wende ich mich ab und gehe weiter. Und fast auf der Stelle ist er auch schon aus meinen Gedanken verschwunden, vergessen … ich gehe nur, gehe immer weiter, so in etwa Richtung Point … es hat jetzt wieder angefangen zu regnen, der Wind bläst heftig, eswird dunkel … und die Flut wirkt auf dieser Seite der Insel noch höher, das Meer scheint noch weiter über den Strand gespült zu sein, deshalb mache ich einen Bogen, gehe auf ein höher gelegenes Stück zu, näher an der Salzmarsch …
    Als Nächstes erinnere ich mich an einen kurzen Lichtblitz draußen auf See, ganz dicht beim Point … aus dem Dunkel heraus … ein zuckendes weißes Licht … und gleichzeitig glaube ich etwas zu hören, ein leises Tuckern in der Ferne, doch als ich stehen bleibe und wieder horche, ist nur der Wind da, der Regen und die Dünung des Meers. Dann setzt die Ebbe ein, der Wind peitscht Wellen hoch …
    Die Stille ist vorbei.
    Genauso wie das ferne Licht.
    Wahrscheinlich war es gar nichts …
    Ich war betrunken, ohne Verstand, draußen in der Kälte …
    Ich habe wahrscheinlich Gespenster gesehen.
    Als ich den Bunker erreichte, fiel mir plötzlich etwas ein, von dem ich mir gewünscht hätte, es wäre mir tags zuvor schon in den Sinn gekommen. Es war eine dieser längst vergessenen Erinnerungen, die oft nur wieder zurückkehren, wenn man betrunken ist oder unter Drogen steht. Dann steigen sie aus den unbewachten Tiefen deines hirnlosen Hirns und überraschen dich. Und wenn diese verlorenen Erinnerungen wieder hochkommen, wirken sie manchmal so frisch, so lebendig, so kraftvoll, dass du kaum fassen kannst, wie lange sie verborgen in einer verstaubten Kiste im Keller deines Bewusstseins gelegen haben. Es sind nicht einfach irgendwelche nutzlosen alten Erinnerungen, sie bedeuten wirklich etwas.
    Und genauso war es jetzt …
    Der Bunker bedeutete etwas für mich.
    Wie die meisten Verteidigungsposten aus dem Zweiten Weltkrieg, die an der Küste von Essex verstreut stehen, warauch dieser ein gedrungener kreisförmiger Bau mit einem Durchmesser von etwa drei Metern, dicken Betonwänden und einem soliden flachen Dach. Mein Vater hatte mir mal erklärt, dass dieser Bunker auf den Grundmauern eines Wachturms aus dem 18. Jahrhundert errichtet worden sei und dass man, als mein Vater ein Kind war, immer noch alte Mauersteine im Sand verstreut finden konnte. Doch sosehr ich auch jedes Mal nach diesen alten Steinen grub, gefunden hatte ich nie etwas.
    Der Bunker war ursprünglich zwei bis zweieinhalb Meter hoch gewesen, aber mit den Jahren war er durch den angewehten Sand immer mehr eingesunken, weshalb das Dach inzwischen nur noch gut einen Meter aus dem Boden herausragte – die perfekte Höhe, um sich obendrauf zu setzen. Jedes Mal, wenn ich als Kind herkam, hatte ich mich hochgezogen, auf das Dach gesetzt und die Füße über den Rand baumeln lassen … ich konnte einfach nicht widerstehen. Und nach einer Weile wurde es zu etwas, das ich einfach tun musste . Zu einer Art persönlichem Aberglauben, nehme ich an. Wenn ich mich nicht auf den

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