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Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Brooks
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Foto. Dieses Bild zeigt den mit dem toten Herzen in einem Schlauchboot, auf halbem Weg zwischen Kutter und Strand, wo ihn der Pferdeschwanztyp erwartet.
    Jetzt richtet Chelsey die Kamera auf den mit dem totenHerzen, zoomt sein Gesicht ran – und gerade als sie auf den Auslöser drückt, sieht er sie. Klick. Das Foto zeigt, wie seine eiskalten Augen direkt in die Kamera schauen.
    Und dann deutet der mit dem toten Herzen vielleicht den Strand hoch, brüllt und der Pferdeschwanztyp dreht sich um, schaut, wohin der andere zeigt, und sieht die drei, die sich im Ginster verstecken, möglicherweise erkennt er auch Bryan Swalenskis Kamera mit dem Teleobjektiv … und jetzt muss Bryan eine Entscheidung treffen. Der Pferdeschwanztyp läuft den Strand hoch auf sie zu und es wird nicht mehr lange dauern, bis das Schlauchboot das Ufer erreicht und der andere Mann rausklettert, und dann wird auch er hinter ihnen her sein …
    Was tut Bryan?
    Er ist kein Mann von kräftiger Statur, und selbst wenn, wäre er kein Gegner für den schweren Biker und den Mann aus dem Schlauchboot. Möglich, dass er vor ihnen weglaufen könnte, aber was ist mit seiner Frau und seiner Tochter? Also kommt Bryan vermutlich zu dem Schluss, es wäre das Beste, mit den Männern zu reden, ihnen einfach die Wahrheit zu sagen: Schauen Sie, ich bin Naturfotograf, verstehen Sie? Ich bin mit meiner Frau und meiner Tochter hier auf Urlaub. Wir haben Ihnen nicht nachspioniert, wir waren nur zufällig da … und was immer Sie tun, es kümmert uns nicht, es geht uns nichts an. Sie können sicher sein, dass wir niemandem irgendwas sagen …
    Und vielleicht ist das der Moment, in dem ihn entweder der mit dem toten Herzen oder der Pferdeschwanztyp schlägt und er zu Boden geht, und während er daliegt und zu ihnen hochschaut, macht Chelsey – unfassbar! – ein weiteres Foto und man sieht, dass der Pferdeschwanztyp bereits losspringt. Er ist jetzt hinter Chelsey und ihrer Mutter her. Und man kann unmöglich sagen, ob sie vor ihm fortrennen oder zu Bryan laufen, denn auf den letzten drei Fotos – den letzten, die Chelsey noch macht – ist alles in einem unscharfen,formlosen Chaos aus blinder Angst und Panik versunken.
    Das vor Entsetzen gelähmte Gesicht der Mutter …
    Wirbelnde Kiesel, ein verzweifelter Ausfallschritt …
    Die tätowierten Finger einer ausgestreckten Hand.

14
    »Und was, glaubst du, ist mit ihnen passiert?«, fragte Cal.
    Es war inzwischen kurz vor halb acht und ich telefonierte schon fast eine Stunde mit ihm. Ich hatte ihm alles erzählt – vom unerklärlichen Verschwinden der Leiche Chelseys bis zu meiner Begegnung mit dem Mann mit dem toten Herzen und den andern. Jetzt hatte ich gerade über die Fotos in Chelseys Kamera gesprochen.
    »Eine Sekunde, Cal«, sagte ich und legte das Handy weg. Ich ging zum Tisch und goss mir einen Whisky ein, und wo ich schon da stand, öffnete ich das Briefchen Kokain und nahm, was noch übrig war. Ich schniefte laut, fuhr mir über die Nase, dann ging ich mit dem Whisky zum Bett, zündete eine Zigarette an und griff wieder nach dem Handy.
    »Entschuldigung, Cal«, sagte ich. »Was hattest du gefragt?«
    »Ich hab’s gehört«, sagte er.
    »Was hast du gehört?«
    »Ich bin nicht blöd, John. Ich weiß genau, wie Kokainschniefen klingt.«
    »Kein Wunder, du ziehst ja selbst genug von dem Zeug durch.«
    »Das ist was anderes.«
    »Wieso das denn?«
    Er seufzte. »Ich mach mir nur einfach Sorgen um dich, das ist alles. Ich … du weißt schon …«
    »Ich bin okay, Cal«, versicherte ich ihm. »Wirklich … ich weiß, was ich tue.«
    »Ja?« Ich hörte das Grinsen in seiner Stimme. »Und was genau tust du?«
    »Weiß der Teufel«, sagte ich und trank einen Schluck. »Eigentlich wollte ich ja hierher, um Abstand zu kriegen …«
    »Wieso kommst du dann nicht zurück? Pack deine Sachen und verschwinde einfach. Hindert dich doch nichts dran, oder? Du arbeitest schließlich nicht an einem Fall oder so.«
    »Ich kann aber nicht einfach verschwinden.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil …«
    Weil was? , fragte ich mich selbst. Wieso kannst du nicht einfach verschwinden? Cal hat doch recht. Du bearbeitest keinen Fall, du bist niemandem verpflichtet, du musst nicht hierbleiben … Was soll’s, wenn ein Mädchen gestorben ist und seine Eltern wahrscheinlich auch … was hat das mit dir zu tun? Du kennst sie doch überhaupt nicht. Du schuldest ihnen nichts. Sie sind einfach irgendwer … eine Mutter, ein Vater, eine Tochter

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