Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)
…
»John?«, sagte Cal.
»Ja …?«
»Was, glaubst du, ist mit ihnen passiert?«
Meiner Vermutung nach – und es war wirklich nur eine Vermutung – war Bryan Swalenski zu Boden gegangen und danach musste die Sache einfach eskaliert sein. Chelsey und ihre Mutter hatten wahrscheinlich gebrüllt, geschrien und verzweifelt versucht, Bryan zu helfen. Vielleicht hatte eine von ihnen den Notruf wählen wollen, was der mit dem toten Herzen und der Pferdeschwanztyp verhindern mussten, dadurch war es zu einer Rangelei gekommen, einem Festhalten und Stoßen, vielleicht auch zu ein, zwei weiteren Schlägen, und es ist denkbar, dass einer der Schläge zu hart war, sodass einer von den Swalenskis mit dem Kopf gegen einen Steinknallte oder so … und als erst mal einer tot oder schwer verletzt war, hatten der mit dem toten Herzen und der Pferdeschwanztyp nur noch zwei Möglichkeiten: verhaftet werden und lebenslänglich kriegen … oder die andern zwei auch umbringen.
»Verstehe«, sagte Cal. »Du glaubst also, sie sind alle tot?«
»Ja, das glaube ich.«
»Und was ist mit den Leichen der Eltern? Ich meine, wieso lagen die nicht auch im Bunker?«
»Ich denke, sie wollten Chelseys Leiche gar nicht in den Bunker werfen. Wahrscheinlich war der Plan, die Leichen auf den Kutter zu bringen und irgendwo hinzufahren, um sie loszuwerden, entweder draußen auf See oder im Watt vor dem Point … Vermutlich waren sie gerade dabei, die Leichen zum Kutter zu bringen, als plötzlich ich am Strand auftauchte.«
»Und sie wussten, dass du kommst, weil der Typ auf der Treppe sie gewarnt hat.«
»Ja, aber sie hatten nicht genug Zeit, alle drei Leichen auf den Kutter zu bringen, deshalb haben sie Chelseys Leiche in den Bunker geworfen und sind natürlich davon ausgegangen, dass ich nicht ausgerechnet dorthin laufe. Dann hätten sie bloß warten müssen, bis ich wieder weg war, und danach hätten sie zurückkommen und ihren Job zu Ende bringen können.« Ich schnippte die Asche von der Zigarette. »Sie waren wohl gerade draußen auf See, um die Leichen der Eltern loszuwerden, als ich Chelsey fand.«
»Du glaubst also, sie sind nicht am Strand geblieben?«
»Keine Ahnung … auch das ist denkbar. Immerhin war es da schon ziemlich dunkel und das Wetter richtig schlecht. Es wär nicht schwer gewesen, für mich unsichtbar zu bleiben.«
»Das könnte erklären, was mit Chelseys Leiche passiert ist«, sagte Cal. »Wenn sie noch an Land waren oder wenn auch nur einer noch da war, könnten sie die Leiche geholt haben, während du auf die Polizei gewartet hast.«
»Aber es gab keine Fußspuren, nichts. Kein Zeichen, dass irgendjemand beim Bunker war.«
»Fußspuren kann man verwischen.«
»Ja …«
»Eine andere Erklärung fällt mir nicht ein, John. Leichen verschwinden nicht einfach. Und die Polizei hatte keine Zeit, irgendwas zu machen. Es sei denn …«
»Es sei denn was?«
»Du warst doch betrunken, stimmt’s?«
»Ja.«
»Wie betrunken?«
»Nicht so, dass ich eingebildete Leichen sehe.«
»Hattest du noch was anderes genommen?«
»Ein bisschen Speed.«
»Ein bisschen?«
»Ein paar Linien.«
»Und das war’s?«
»Yep.«
»Sonst noch was, das ich wissen sollte?«
»Zum Beispiel?«
»Halluzinationen, Stimmen im Kopf … irgendwas in der Art?«
Ich lachte. »Willst du mir ernsthaft einreden, dass ich nicht ganz richtig unter der Schädeldecke bin?«
»Nein, ich frage nur, ob es sein könnte.«
»Glaubst du im Ernst, ich würde das zugeben?«
»Ja, schon«, sagte er lachend. »Denn wenn du wirklich nicht richtig im Kopf wärst, würdest du bestimmt glauben, es wär okay, das zuzugeben.«
Ich lächelte. »Cal, ich werde nicht verrückt.«
»Bist du sicher?«
»Ich bin genauso gesund wie du.«
Er lachte wieder. »Okay … Wenn wir also davon ausgehen, dass du dir nichts eingebildet hast, muss irgendjemand Chelseys Leiche abtransportiert haben, und zwar zwischendem Zeitpunkt, als du sie entdeckt hast, und dem Eintreffen der Polizei. Richtig?«
»Ja.«
»Und aller Wahrscheinlichkeit nach haben die Typen, die daran beteiligt waren, die Leiche inzwischen entsorgt, sodass du sie nie mehr finden wirst.«
»Kann gut sein.«
»Das heißt, du hast genau genommen keinen Beweis, dass irgendwer umgebracht wurde?«
»Ich habe die Fotos.«
»Zeigen sie, wie jemand umgebracht wird?«
»Nein …«, sagte ich und schaute auf Chelseys Handy, das plötzlich piepste.
»Was war das?«, fragte Cal.
»Chelseys Handy … der Akku ist
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