Bis es dunkel wird: Kriminalroman (German Edition)
Herzen – zu mir sagte: »Verpiss dich, ehe ich es mir anders überlege.« Und dann weiß ich nur noch, dass ich im schnell abnehmenden Licht über den Strand davontaumelte und mich in meinem benebelten Hirn wunderte, wo ich war und wieso ich noch lebte.
Mach dir deswegen jetzt keine Gedanken , sagte die tröstende Stimme in meinem Herzen. Konzentrier dich nur auf das, was du gerade tust.
»Was tue ich denn?«
Du gehst, bewegst dich, bleibst am Leben.
Ich lächelte. »Ich hab dich vermisst, Stace.«
Ich habe dich auch vermisst.
»Wo warst du?«
Nirgendwo.
»Wie war’s?«
Ziemlich still.
Ich lachte. »Schön, dass du wieder da bist.«
Auch wenn ich nicht existiere?
»Wer sagt das?«
Wir beide.
»Ja, gut …«, antwortete ich grinsend. »Existenz wird sowieso überbewertet.«Ich schaute nicht nach dem Handy, bis ich sicher zurück im Hotelzimmer war, und selbst dann dauerte es eine ganze Weile, ehe ich mich in der Lage fühlte, es zu untersuchen. Ich war immer noch ziemlich fertig – mir war schlecht, ich fühlte mich benommen und desorientiert, und jetzt, da das Adrenalin nachließ, spürte ich erst so richtig die Folgen der Stiefeltritte, die ich eingesteckt hatte. Mein Kopf war halbwegs okay, bis auf das dumpfe Pochen hinter den Augen, doch der Bauch tat höllisch weh und im Rücken spürte ich einen stechenden Schmerz, der sich jedes Mal, wenn ich mich bewegte, über den ganzen Körper ausbreitete.
Ich fand in der Tasche ein paar Schmerztabletten, goss mir ein Glas Whisky ein und setzte mich vorsichtig auf die Bettkante. Ich spülte die Tabletten mit einem großen, langsamen Schluck Whisky hinunter, dann zündete ich eine Zigarette an und trank noch einmal.
»Scheiße«, sagte ich und rieb mir das Kreuz.
Ich verstand noch immer nicht, wieso sie mich nicht umgebracht hatten.
Ich hab’s dir doch gesagt … mach dir deswegen jetzt keine Gedanken.
»Ich mach mir auch keine Gedanken. Ich versteh es nur einfach nicht. Wenn sie Chelsey umgebracht haben – «
Vielleicht haben sie das ja gar nicht.
Ich fasste in mein Hemd und zog das Handy heraus. Es war ein Smartphone und es schien noch fast neu. Ich starrte auf den schwarzen Bildschirm und ein verschwommenes graues Gesicht starrte zurück. Das Gesicht auf dem Bildschirm war ein Fiasko – zerbeult, blutig, voller Sand –, und als ich in seine gequälten Augen blickte, verschwamm meine Sicht wieder und ließ die Augen schimmern wie triste schwarze Sterne, und Übelkeit stieg in mir hoch.
Ich legte das Handy zur Seite, humpelte ins Bad und übergab mich.Nachdem ich geduscht und mir frische Sachen angezogen hatte, fühlte ich mich ein bisschen besser. Nicht großartig, ganz und gar nicht, aber doch halbwegs okay. Während ich die Taschen meiner schmutzigen Kleidung ausleerte und den Inhalt in die neuen Sachen umsortierte, kam mir der Gedanke, dass ich den Schlüssel zum Bunker besser nicht mit mir rumschleppen sollte. Wenn Boon merkte, dass er weg war und ich ihn vielleicht genommen hatte …
Ich schaute mich im Bad um, wo ich den Schlüssel verstecken konnte, und als ich dort nichts Passendes fand, ging ich zurück ins Zimmer zu der Ecke, die dem Bett am nächsten war. Der Teppichboden war dort nicht ganz sauber verklebt. Ich ging in die Hocke und zog ihn zurück, schob den Schlüssel drunter und drückte den Teppich danach wieder fest.
Nicht gerade narrensicher, aber fürs Erste würde es reichen.
Ich zündete eine Zigarette an, nahm Chelseys Handy und ging damit zum Bett. Ich dachte, ich würde eine Weile brauchen, um mich zurechtzufinden, doch als ich erst mal herausgefunden hatte, wie man den Bildschirm entsperrte, war der Rest überraschend einfach. Außerdem war das Einzige, was mich im Moment wirklich interessierte, die Fotofunktion. Zum einen würden mir die gespeicherten Fotos zeigen, ob ich tatsächlich Chelseys Handy gefunden hatte, zum andern hoffte ich – was weit wichtiger war –, einige der gespeicherten Fotos würden vielleicht ein wenig Klarheit in die Frage bringen, was mit ihr passiert war.
Ich berührte das Kamerasymbol auf dem Bildschirm.
Die Fotofunktion ging an und zeigte eine Großaufnahme meines Knies.
Ich drückte auf ein anderes Symbol unten rechts auf dem Bildschirm und es erschien eine Anzahl daumennagelgroßer Bilder, die in einem Raster angeordnet waren. Oben über dem Raster stand Aufnahmen (163) . Auf der ersten Bildflächebefanden sich zehn Fotos, zwei Reihen zu je fünf Aufnahmen, und ich brauchte gar
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