Bis hierher und weiter - Mit allen Nockherberg-Reden von Bruno Jonas
Zusatzbedeutung. Wenn man das Konzept der dramatischen Ironie konsequent auf das Evangelium überträgt, so kann man in der Leidensgeschichte des Herrn von einer sich erfüllenden Ironie sprechen, von zielorientierter Ironie des Neuen Testaments. Die Wirkung von prophetischer Ironie entsteht, weil gläubige Christen die Bibel nicht nur als geschichte lesen, sondern als wahre geschichte ihres Erlösers.
gläubige wissen nicht mehr, sondern glauben mehr! Haben also einen Zustand überlegener gläubigkeit erlangt, indem sie, wie führende Theologen sagen, einen »vernünftigen glauben« praktizieren können. gläubige wissen um die Konsequenzen für die handelnden Personen in der Jesus-Geschichte. Alles muss so geschehen, wie es geschieht, damit sich die Weissagungen erfüllen. gläubige kennen das Endziel der geschichte und interpretieren die Handlung im Hinblick auf das Ende.
Nach all dem, was wir jetzt über den Zustand glaubender gläubiger in Erfahrung bringen konnten, müssen wir uns fragen, ob und wenn wie Humor und glauben überhaupt noch miteinander versöhnt werden können.
Auf dem Weg dahin habe ich kurz bei G. W. F. Hegel vorbeigeschaut. In der Hoffnung, dort eine begehbare Verbindung für die beiden Felder aufzutun. Hegel ist immer eine echte Herausforderung für jeden geistesmenschen, egal ob gläubig oder ungläubig. Wir nähern uns einem echten Höhepunkt des Humors: georg Wilhelm Friedrich Hegel. Wir kennen ihn alle, wir schätzen ihn als den Denker des »reinen Begriffs« im »absoluten Bewusstsein«.
Ich gehe davon aus, dass Sie, das Auditorium des heutigen Vortrags, dass Sie ihn alle draufhaben. Deshalb glaube ich, einiges voraussetzen zu dürfen. Ich kann mich heute Abend auf das Wesentliche beschränken, auf den Hegel’schen Kern: Das absolute Bewusstsein. Wie wir alle wissen, wird bei Hegel alles aufgehoben im absoluten Bewusstsein. Selbstverständlich auch der Humor, und zwar durch die Dialektik der Erfahrung, in der wir die gegensätze, die uns von überall her bedrängen, erfahren. Der sinnlichen Erfahrung steht die geistige Erfahrung gegenüber und der affektiven Erfahrung die begriffliche Erfahrung. Und der Erfahrung der Endlichkeit die Erfahrung der Unendlichkeit. Und alle diese gegensätze werden im Bewusstsein in die Aufhebung gedacht, und zwar durch »Umkehrung des Bewusstseins«. Ich bin sicher, dass diese Umkehrung des Bewusstseins ohne Humor nicht zu leisten ist.
Wir müssen uns das Bewusstsein vorstellen wie einen Pullover, den wir beidseitig tragen können. Und Hegel schafft es, auf diese Weise das »Verhältnis von Identität und Differenz« aufzuheben. Und wo? Im absoluten Bewusstsein.
Ich sage Ihnen, das hört sich komisch an, es ist aber nicht zum Lachen. Für den Humor bedeutet das im absoluten Bewusstsein das endgültige Aus. Da der Humor nur so lange Dienst tun kann, solange es die Dialektik der gegensätze gibt, kann Humor nur eine Brennstufe im Bewusstsein sein, die abgeworfen wird, sobald die Hegel’sche Trägerrakete, durch die treibende Kraft der Dialektik, die Bewusstseinskapsel in immer höhere Sphären hebt, bis sie schließlich im absoluten Bewusstsein niedergeht, wo es dann nichts mehr zu lachen gibt. Bei Hegel wird Humor »überwunden« und schließlich überflüssig, weil im absoluten Bewusstsein die gegensätze aufgehoben sind. Hegel entzieht dem Humor die grundlage.
Ich gestehe, dass ich meine Hegelstudien hier abgebrochen habe, weil ich Angst hatte, meine Identität in der Dialektik aufheben zu müssen. Ich hatte überhaupt keine Lust, mich aufzuheben, schon gar nicht im absoluten Bewusstsein. Als ich nicht mehr gewusst habe, wo mir der Kopf steht, und ich zeitweise das gefühl hatte, mit den Füßen zu denken und mit dem Kopf zu gehen, habe ich mich auf mein Differenzvermögen besonnen und gesagt: Das bin ich und das ist der Hegel und diese Differenz will ich nicht aufheben. Das hat mir als Erkenntnis gelangt.
Ich habe mich entschlossen, meine Humorstudien an anderer Stelle weiterzubetreiben, weil mir beim Hegel das Lachen vergangen ist.
Einer, der über Hegel auch nicht lachen konnte, war Kierkegaard. Aber nach allem, was ich über Kierkegaard gelesen habe, hat der überhaupt nicht gelacht. Die Autoren der Theologischen Realenzyklopädie sind der Meinung, dass Kierkegaard »die Richtung des Humors vom Unendlichen auf das Wiedergewinnen einer neuen Endlichkeit lenkt«. Endlich wieder einer, der den Humor von oben aus dem confinium (mein gott, ist das
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