Bis ich dich finde
hinzukriegen, ist ziemlich schwer.« Die Verwendung von Hamamelisextrakt
erschien Jack plausibel.
Die Frau betrachtete ihre Biene mit neuen Augen. »Die hab ich mir in
Winnipeg machen lassen«, sagte sie.
»Bei Tattoos for the Individual wahrscheinlich«, sagte Alice.
»Ja. Kennst du die?«
»Klar kenne ich die. Winnipeg ist nicht so groß, daß man sich dort
verlaufen könnte. Du willst wahrscheinlich eine Blume für deine Biene.«
»Ja, aber ich kann mich nicht entscheiden, was für eine«, sagte die
junge Frau.
Jack schob sich langsam in Richtung Tür. Er wollte lieber ein
bißchen auf der Queen Street herumschlendern. Wahrscheinlich würde irgendein
Fan (oder Verrückter) ihn erkennen, aber das war immer noch besser als noch
einmal zuzusehen, wie jemand sich tätowieren ließ.
»Wo willst du hin, Jack?« fragte seine Mutter, ohne den Kopf zu
heben. Sie legte der jungen Frau gerade eine Auswahl von Blumen-Flashs vor.
»Du brauchst nicht zu gehen«, sagte die Frau zu Jack. »Von mir aus
kannst du gerne zusehen – ganz gleich, wo sie’s hinmacht.«
»Kommt darauf an«, sagte Alice.
»Wir sehen uns zu Hause«, sagte Jack. »Heute abend lade ich dich und
Leslie zum Essen ein.«
Beide schienen enttäuscht, daß Jack sich verabschiedete. Bob Dylan
näselte. ( Idiot Wind – Jack würde diesen Song nie
vergessen.) Jack verschwendete keinen Gedanken an die junge Frau; er versuchte,
die Enttäuschung im Gesicht seiner Mutter zu entschlüsseln. Was
ist es nur, das dich an mir stört? wollte er sie fragen. Allerdings
nicht, solange diese Frau dabei war.
»Someone’s got it in for me«, klagte Bob. »Jemand hat’s auf mich abgesehen«. So fühlte sich Jack
jedesmal, wenn er nach [578] Toronto kam. »They say I shot a
man named Gray and took his wife to Italy«, sang Bob, »she inherited a million bucks and when she died it came to me.«
Die nächste Zeile sang Jack mit, ohne die Augen von seiner Mutter zu
wenden. »I can’t help it if I’m lucky«, sang er. »Ich kann nichts dafür, daß ich ein Glückspilz bin« – denn
das hatte den größten Teil des Blicks ausgemacht, den sie ihm zugeworfen hatte:
Sie dachte, er habe Glück gehabt!
»Bis jetzt, Jack, bis jetzt!« rief Alice ihm nach, als er hinaustrat
auf die Queen Street und die Tür des Daughter Alice hinter sich zuzog.
[579] IV
IN DEN NADELN SCHLAFEN
[581] 23
Billy Rainbow
Jack war
auf einer Promotiontour in New York. (»Gemäß Marschbefehl von Miramax«, wie
Emma es ausdrückte.) Das einzig Denkwürdige an dem dort geführten Interview war
nicht die einleitende Frage an sich, die ihm schon hundertmal gestellt worden
war, sondern die ungeheure Plumpheit, mit der die Journalistin sie formulierte
– hinzu kam, daß mitten in seiner oft gegebenen Antwort Emma anrief und es das
letzte Mal war, daß Jack ihre Stimme hörte.
Seine Interviewerin, eine matronenhafte Frau mit rätselhaftem
Akzent, war dieselbe Journalistin von der Hollywood Foreign Press, die ihn bei
einer früheren Promotiontour gefragt hatte, ob er sich in seinem Äußeren den
jungen Martin Sheen in Apocalypse Now zum Vorbild
nehme. Sie trank eine Cola light und rauchte eine Mentholzigarette, so daß ihr
künstlich aromatisierter Atem über ihn hinwegstrich wie der Rauch einer
brennenden Pfefferminzfabrik.
»Captain Willard hat kurze Haare«, hatte Jack ihr seinerzeit
geantwortet.
»Captain wer?«
»Die Figur, die Martin Sheen in Apocalypse Now spielt – Captain Willard«, hatte er gesagt. »Was seinen Rang angeht, bin ich
mir allerdings nicht hundertprozentig sicher.«
»Ich-e ’abe nicht-e von seine Haare gesprochen«, hatte die
Journalistin gesagt.
»Bewußt nehme ich ihn mir jedenfalls nicht zum Vorbild«, hatte Jack
zu ihr gesagt. »Und ich versuche auch nicht, Marlon Brando umzubringen.«
[582] »Sie meinen-e der junge Marlon Brando?«
hatte die Frau von der Hollywood Foreign Press ihn gefragt.
»In dem Film, den Sie angesprochen haben«, hatte er ihr, ganz
langsam, erklärt, »hat der Mann, den der junge Martin Sheen spielt, den
Auftrag, Marlon Brando umzubringen – wissen Sie noch? Und zwar keinen jungen
Marlon Brando.«
»Schon gut-e«, hatte sie gesagt. »Zu
etwas-e anderem.«
Ihre nächste Frage war so taktlos, daß es ihm fast den Atem
verschlug, aber wenigstens hatte sie das Thema gewechselt. »Sind Sie ein-e
Mensch-e, der sich, obwohl nicht-e homosexuell, psychologisch mit dem anderen
Geschlecht-e identifiziert-e? Ich meine, mit-e Frauen?«
»Sie
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