Bis ich dich finde
meinen, ob ich Transvestit bin?«
»Ja!«
»Nein.«
»Aber Sie tragen-e ständig Frauenkleider, oder Sie scheinen daran-e
zu denken – an das Tragen von Frauenkleidern, meine ich –, auch wenn Sie
Männerkleidung tragen.«
»Im Augenblick denke ich nicht daran, Frauenkleidung zu tragen«,
sagte Jack zu ihr. »Ich mache das nur gelegentlich in einem Film – wenn ich
eine Rolle spiele, verstehen Sie.«
»Schreiben-e Sie auch darüber?«
»Über das Tragen von Frauenkleidern?«
»Ja!«
»Nein.«
Sein Handy klingelte. Normalerweise nahm er während eines Interviews
keine Gespräche an, aber er sah, daß der Anruf von Emma kam, und sie war in
letzter Zeit deprimiert. Emma war dabei, den Kampf gegen ihre Pfunde zu
verlieren; seit seiner Abreise rief sie ihn jeden Morgen an, um ihm
mitzuteilen, wieviel sie wog. In New York war es fast Mittag, aber Jack wußte,
daß Emma in L.A. gerade erst aufgestanden war.
Er hatte ihr gesagt, daß man ihn rund um die Uhr [583] interviewte –
sie wußte natürlich, wozu eine Promotiontour da war. Leicht verärgert reichte
Jack der Dame von der Hollywood Foreign Press sein Handy. »Diese Frau läßt mich
einfach nicht in Ruhe«, sagte er zu seiner Interviewerin. »Sagen Sie ihr doch
bitte, daß ich mitten in einem Interview bin. Vielleicht dringen Sie ja zu ihr durch.«
Vielleicht, hoffte Jack, würde er damit wenigstens die Journalistin
auf andere Gedanken bringen. Daß es ihr nicht gelingen würde, Emma von ihren
Gedanken abzubringen, wußte er bereits.
»’allo?« fragte die Frau, die fand, daß er wie der junge Martin
Sheen aussah.
Plötzlich hörte es sich so an, als spräche Emma italienisch – natürlich erkannte Jack ihre Masche. »Bitte Sie sagen Jack
Burns-e, es-e ist-e Maria Antonietta Beluzzi am telefono !«
»Tut-e mir leid, Jack Burns ist mitten-e in eine Interview«, sagte
die Dame von der Hollywood Foreign Press.
»Sagen Sie ihm, mir fehlt-e zu halten seine Pee-nis in meine
Hand-e!« sagte Emma.
»Es ist-e eine Ms. Beluzzi «, sagte seine
Interviewerin und reichte ihm das Handy zurück. »Es scheint-e dringend zu
sein.«
»Also, was wiegst du denn heute morgen?« fragte Jack Emma.
»Dreiundneunzig beschissene Kilo«, heulte Emma – so laut, daß die
Journalistin es hören konnte.
»Du mußt eine Diät machen, Emma«, sagte er ihr zum vermutlich
hundertsten Mal.
1997 war Jack Burns zweiunddreißig Jahre alt – Emma neununddreißig.
Sein Stoffwechsel funktionierte besser als ihrer, und Jack hatte stets darauf
geachtet, was er aß. Doch nun, mit Anfang Dreißig, mußte selbst er es mit
seiner Ernährung genauer nehmen.
Emma begriff nicht, worauf es beim Schlankwerden ankam. Aus ihrer
allabendlichen Flasche Rotwein waren zwei geworden; [584] sie aß mittags Pasta.
Mit nun bald vierzig war ihr Lieblingsgericht noch immer Kartoffelbrei mit
Gorgonzola. Jack sagte es ihr immer wieder: Sie konnte sich den ganzen Tag am
Bauchtrainer im Four Seasons in Beverly Hills abstrampeln – sie konnte auf der
Bank ihr eigenes Körpergewicht drücken – aber gegen so viele Kohlehydrate war
kein Kraut gewachsen.
Jack sah, daß die Journalistin von der Hollywood Foreign Press alles
mitschrieb – einschließlich der »dreiundneunzig beschissenen Kilo«, wie er
später in ihrem Interview las. Sie schrieb sogar Maria Antonietta Beluzzi
richtig; natürlich stellte sich heraus, daß sie Italienerin war.
»Emma –«, setzte Jack an.
»Er nennt sie Emma und befiehlt ihr brutal, eine
Diät zu machen«, schrieb die Dame von der Hollywood Foreign Press
später.
»Scheiß auf dich und deine Diät, Jack«, sagte Emma mit scharfer
Stimme. »Ich will dir nur sagen, daß ich dich in meinem Testament großzügig
bedacht habe.« Dann legte sie auf.
»Ihre Freundin-e?« fragte die Interviewerin. »Eine davon, meine
ich.«
»So was Ähnliches«, erwiderte Jack.
»Ist-e Miss Beluzzi Schauspielerin?«
»Nein, eine üppige Tabakhändlerin«, sagte er. Obwohl die Journalistin
das nicht mitschrieb, gelangte das Wort üppig irgendwie in ihr Interview – allerdings in bezug auf Emma.
»Ich vermute, Sie haben-e oder hatten-e viele Freundinnen«, sagte Jacks Interviewerin.
»Nichts Ernsthaftes«, sagte er zum vermutlich hundertsten Mal – und
bat Michele Maher innerlich um Verzeihung.
Jack war müde. Er hatte zu vielen neugierigen, penetranten
Journalisten zu viele Interviews gegeben. Aber das war keine Entschuldigung. Er
hätte dieses Interview nicht aus dem Ruder laufen
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