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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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legte ihre große Hand
auf Jacks Hintern.
    »Scheißlesben!« rief der Rausschmeißer ihnen nach.
    »Ich hab einen Dildo, davon würdest du Rotz und Wasser heulen!« schrie
Emma dem Rausschmeißer zu, der im trüben Licht plötzlich blaß wirkte.
    Ein hochgewachsener, schlaksiger Bursche, der an eine Vogelscheuche
erinnerte, war über die Samtkordel vor der Bar gefallen und hing darüber wie
ein Mantel auf einer Wäscheleine.
    »Ich glaube, in Kalifornien ist es verboten, barfuß Auto zu fahren«,
sagte Emma zu Jack.
    »Ich verspreche dir, daß ich nie mit deiner Mutter schlafe«,
flüsterte er ihr zu.
    Sein Penis in Mrs. Oastlers Hand war noch immer steif, und Jack
schlief schon fast, als sie etwas zu ihm sagte. »Ich mußte deiner Mutter
versprechen, daß ich nicht mit dir schlafe, Jack. Natürlich schlafen wir nicht richtig miteinander – jedenfalls nicht so, wie es Alice
gemeint hat, oder?«
    »Natürlich nicht«, sagte Jack.
    [612]  Einer von Mrs. Oastlers Fingernägeln ritzte ihn an der Eichel,
und er zuckte zusammen. »Enschuldigung«, sagte sie. »Es ist schon eine ganze
Weile her, daß ich mit einem Penis gespielt habe.«
    »Ist schon gut«, sagte er.
    »Du mußt mit deiner Mom reden, Jack«, sagte Leslie genauso, wie Emma
es gesagt haben könnte.
    »Wieso das?« fragte er.
    »Rede mit ihr, solange noch Zeit ist, Jack.«
    »Zeit wofür?«
    »Emma und ich haben nicht genug miteinander geredet«, sagte Mrs.
Oastler. »Und jetzt haben wir keine Zeit mehr.«
    » Worüber soll ich mit meiner Mom reden?«
    »Du mußt doch Fragen haben, Jack.«
    »Sie hat sie nie beantwortet.«
    »Vielleicht ist ja jetzt der richtige Zeitpunkt«, sagte Mrs.
Oastler. »Frag sie noch mal.«
    »Weißt du etwas, was ich nicht weiß,
Leslie?«
    »Und ob«, sagte sie. »Aber ich sage es dir nicht. Frag deine
Mutter.«
    Draußen schrie jemand – wahrscheinlich auf dem Hotelparkplatz, doch
im Shutters on the Beach konnte man es noch hören, wenn jemand auf der Santa
Monica Pier schrie. Vielleicht lag es ja an dem Schrei, aber Jacks Erektion
ließ endlich nach.
    »Ach, wie süß!« sagte Mrs. Oastler. (Sie gab sich erhebliche Mühe,
seinen Penis wieder zum Leben zu erwecken.) »Es kommt einem vor, als würde er
verschwinden!«
    »Vielleicht ist er traurig«, meinte Jack.
    »Merk dir diesen Satz«, hatte Emma gesagt. »Eines Tages wirst du ihn
gut gebrauchen können.« Und er hatte sich nicht vorstellen können, unter
welchen Umständen einem das Eingeständnis, der eigene Penis sei traurig,
irgendwie von Nutzen sein könnte.
    Doch das Wort traurig hatte eine völlig
unerwartete Wirkung [613]  auf Leslie Oastler. Sie ließ seinen Penis los und drehte
sich um, so daß sie ihm nun den Rücken zukehrte. Daß sie weinte, merkte er
erst, als er spürte, wie das Bett zitterte – sie weinte, ohne einen Laut von
sich zu geben. Vermutlich war dies das Irgendwann, von dem seine Mutter gesprochen hatte, als sie sagte, Leslie werde
zusammenklappen, doch selbst im Zusammenbruch zeigte sich Mrs. Oastler noch
beherrscht. Ihr kleiner Körper bebte, ihr Gesicht war tränenfeucht, ihre Brüste
fühlten sich kühl an, doch sie sagte kein Wort.
    Als Jack aufwachte, hörte er Mrs. Oastler unter der Dusche. Der
Zimmerservice war dagewesen, ohne daß Jack es gemerkt hatte. Die Kanne Kaffee,
das einzige, was Leslie bestellt hatte, war lauwarm. Sie hatte ihren kleinen
Koffer bereits gepackt und (am Fuß des Bettes) die Kleider bereitgelegt, die
sie auf dem Flug tragen wollte – einen schwarzen Hosenanzug, ihren Bikinislip,
den kleinen Push-up- BH . Auf ihrem Kissen hatte
sie eine Überraschung für Jack liegen lassen: jenes Foto der nackten Emma, das
er aufbewahrt hatte. Leslie mußte es in dem Haus am Entrada Drive gefunden
haben. Es war ihre Art, ihm mitzuteilen, daß sie es gesehen hatte.
    Das Mädchen auf dem Foto betrachtete Jack kritisch: Emma mit
siebzehn, als Jack zehn und auf dem Weg nach Redding gewesen war. Sie war
niemals fitter gewesen. Auf einer ihrer Wangen sah man eine Abschürfung von der
Matte, die sie wahrscheinlich Tschenko oder einem der Minskies zu verdanken
hatte.
    Als Leslie Oastler aus dem Bad kam, trug sie einen Bademantel des
Hotels, und ihre Haare waren noch naß. »Süßes Bild, was?« fragte sie.
    »Charlotte Barford hat es gemacht«, sagte er.
    »Dann hat sie vermutlich mehr als eins
gemacht – stimmt’s, Jack?«
    »Eine Exfreundin von mir hat mich gezwungen, sie wegzuwerfen«, sagte
er.
    [614]  »Wahrscheinlich hat sie

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