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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Marquis
herumhingen.
    In dem hohen Spiegel sah Jack, daß er sich die Zehennägel allzu
hastig lackiert hatte – er sah so aus, als hätte er barfuß einen Unfall mit
einem Rasenmäher gehabt. Der Rock saß schief, und das Camisol war auf einer
Seite eingerissen, so daß die überdehnten Träger des elfenbeinfarbenen BH s zu sehen waren. Jacks Tennisballbrüste waren
deutlich kleiner als sein Bizeps. Er sah aus wie eine im dritten oder vierten
Monat schwangere Hockeyspielerin, deren Bauch sich gerade zu wölben beginnt.
    Er hätte auf den Zehennagellack verzichtet, wenn er seine Schuhe
hätte tragen können, aber die hatte das Model dazu benutzt, sein Jackett zu
beschweren, das in zehn Zentimeter tiefem Wasser in der Badewanne lag.
    Es war bloß eine Musikerparty – Jack rechnete nicht damit, daß die
Kleiderordnung allzu streng sein würde. Er fand es passend, daß er einen Klacks
vom extrastarken Festiger des Models verwendet und sich dann die Haare gefönt
hatte. Er sah aus wie eine zur Nutte gewordene, ehemalige Hockeyspielerin, die in einem frühen Stadium der Schwangerschaft vom Blitz
getroffen worden war, doch verglichen mit den Frauen, die man üblicherweise als
Groupies der Rock ’n’ Roller im Sunset Marquis sah, war Jack der Konkurrenz
turmhoch überlegen.
    Mit Ausnahme des Models – die war ein echter Knaller. Sie hatte
Jacks Anzughose und das weiße Hemd abgelegt und tanzte ausgelassen in Jacks
Boxershorts und ihrem BH . Die Musiker und ihr
Gefolge waren schon so hinüber, daß Jack Toshiro Mifune im Fummel hätte sein
können, und kein Mensch hätte es bemerkt. Keiner außer einem Typen, der eine
Mundharmonika zu beatmen schien. Er hörte auf zu spielen und starrte Jack und
insbesondere dessen Tennisballhälften an.
    »Bist du mit ihr gekommen?« fragte er Jack
mit einer Kopfbewegung zu dem tanzenden Model hin.
    [610]  »Die Boxershorts und der BH kommen
mir jedenfalls bekannt vor«, sagte Jack. Es war ein typischer Jack-Burns-Spruch
– er verriet ihn.
    »Man könnte dich glatt für Jack Burns halten«, sagte der
Mundharmonikaspieler. »Ohne Scheiß.«
    »Wirklich?« gab Jack zurück. »Irgendeine Ahnung, wo die Kleine in
den Boxershorts den Rest ihrer Klamotten gelassen hat?«
    Der Mundharmonikaspieler deutete auf eine Couch, auf der sich eine
hochgewachsene junge Frau ausgestreckt hatte, die eingeschlafen, weggetreten
oder tot war. (Jedenfalls schien sie den Lärm nicht wahrzunehmen.) Sie hatte
sich mit Jacks weißem Hemd zugedeckt, das entweder sie oder das Model dazu benutzt
hatte, sich den Lippenstift abzutupfen. Jack fand seine Anzughose und nahm die
Brieftasche aus der vorderen linken Tasche. Die Hose zu behalten, hatte keinen
Sinn – nicht angesichts des in der Badewanne des Models gewässerten Jacketts –
und er hatte hundert weiße Hemden. In Nächten wie dieser schrieb man seine
Verluste ab und sah zu, daß man wegkam.
    Das Model tanzte immer noch. »Sag ihr, sie kann die Boxershorts
behalten, aber meinen BH will ich zurück«, sagte
Jack zu dem Mundharmonikaspieler, der auf seinem Instrument wie eine
angefahrene Katze jaulte. Er nickte Jack kaum merklich zu.
    Es gab eine Art Rausschmeißer, der Jack nicht hatte hereinkommen
sehen. Er folgte Jack nach draußen, auf das halbdunkle Gelände, wo noch andere
Villen standen – manche erleuchtet, manche nicht. Auf dem Gras lag schon Tau.
»Hey«, sagte der Rausschmeißer. »Irgendwer hat gesagt, du wärst Jack Burns,
dieser Perverse.«
    Jacks Gesicht reichte bis zu der breiten, in einem Hawaiihemd
steckenden Brust des Rausschmeißers. Normalerweise wäre Jack ihm ausgewichen.
Er hätte ihm mühelos bis zu der Warteschlange hinter der Samtkordel vor der Bar
davonlaufen können. [611]  Vor den Augen einer Menschenmenge würde sich der
Rausschmeißer nicht mit Jack anlegen. Aber Jacks Rock war so eng, daß seine
Knie beim Gehen aneinanderrieben: Er hätte nirgendwohin rennen können.
    »Bist du das, Schätzchen?« hörte er Emma sagen. Der Rausschmeißer
trat zur Seite und ließ ihn vorbei. »Nun sieh dir das an – du bist ja halb
ausgezogen!« sagte Emma zu Jack. Sie schlang ihm ihren fleischigen Arm um die
Hüfte und zog ihn an sich. Sie küßte ihn auf den Mund und verschmierte ihm
dabei den Lippenstift. »Was ist denn mit deinen Schuhen passiert, Zuckerbär?«
fragte sie.
    »Unter Wasser«, erklärte Jack.
    »Dann will ich mal hoffen, daß es nicht die Manolo Blahniks waren,
sonst setzt es was, du schlimmes Mädchen«, sagte Emma und

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