Bis ich dich finde
gedacht, du
hast sie alle weggeworfen.«
»Stimmt.«
»Ein Prominenter wie du sollte solche Bilder nicht herumliegen
lassen«, sagte Mrs. Oastler zu ihm. »Aber ich werfe es nicht für dich weg. Ich
werfe wahrscheinlich überhaupt keine Fotos von Emma weg – im Augenblick
jedenfalls nicht.«
»Ja, natürlich.«
Jack stellte sich nackt ans Fenster, das auf den Parkplatz ging; man
sah eine Teilansicht des toten, reglosen Riesenrades, das im
ausgebleicht-grauen Licht dem Skelett eines Dinosauriers ähnelte. Santa Monica
lag der frühe Morgen nicht.
Mrs. Oastler stellte sich hinter ihn und ergriff mit beiden Händen
seinen Penis. Binnen Sekunden hatte Jack einen Ständer. Das alles erschien ihm
wie ein ungeheurer Verrat an Emma. In diesem Augenblick begann Jack zu weinen.
Er spürte, daß Leslie nackt war, weil sie sich an seinem Rücken rieb. Wenn sie
mit ihm hätte schlafen wollen, hätte er sich gefügt; wahrscheinlich weinte er
deshalb. Das Versprechen, das er Emma und seiner Mutter gegeben hatte, war
bedeutungslos.
»Armer Jack«, sagte Leslie Oastler sarkastisch. Sie ließ ihn los und
zog sich an. Ihr Haar war so kurz, daß sie es ohne weiteres mit einem Handtuch
trocknen konnte. »Bestimmt hast du heute reichlich zu tun«, sagte sie zu ihm,
»mit dem, was literarische Nachlaßverwalter so machen.« Jack hätte den ganzen
Tag weinen können, aber nicht vor ihr. Er hörte auf. Er suchte seine Kleidung
zusammen und begann sich anzuziehen, wobei er das Foto von Emma in seine rechte
vordere Hosentasche steckte. »Deine Mutter wird dich bestimmt anrufen, noch
bevor ich wieder in Toronto bin«, sagte Mrs. Oastler zu ihm. »Sie wird alles
über unsere gemeinsame Nacht wissen wollen – wie wir nicht miteinander geschlafen haben und so weiter.«
»Ich weiß schon, was ich sage«, erwiderte Jack.
[615] »Hauptsache, du redest mit ihr. Frag sie alles, solange noch Zeit
ist.«
Jack zog sich fertig an, ohne noch etwas zu sagen. Er ging ins Bad
und schloß die Tür ab. Er versuchte, sein wirres Haar zu ordnen und wusch sich
das Gesicht. Er war Mrs. Oastler dankbar dafür, daß sie ihm ihre Zahnpastatube
dagelassen hatte, wenn auch nicht ihre Zahnbürste: die hatte sie vermutlich
eingepackt. Er verrieb mit dem Zeigefinger einen Klacks Zahnpasta auf den
Zähnen und spülte sich am Waschbecken den Mund aus. Ehe er im Bad fertig war,
hörte er die Hotelzimmertür zufallen. Als er wieder ins Zimmer trat, war Leslie
fort.
Er hatte einige Mühe, das Shutters zu verlassen. Mrs. Oastler hatte
die Rechnung bezahlt, aber die Paparazzi warteten auf ihn. Gott sei Dank hatten
sie Mrs. Oastler verpaßt. Irgendwer hatte Jack dabei erspäht, wie er mit einer
gutaussehenden älteren Dame im One Pico gegessen hatte, und irgendwer war
dahintergekommen, daß sie die Nacht im Shutters verbracht hatten.
»Wer war die Frau, Jack?« fragte einer der Fotografen immer wieder.
Im Entrada Drive warteten noch mehr Paparazzi auf ihn, aber damit
hätte er rechnen müssen. Jack fragte sich, warum sie nicht am Vorabend
dagewesen waren; sie hätten ihm und Leslie zum Shutters folgen können. Er zog
Emmas Bett ab, stopfte Bettwäsche und Handtücher in die Waschmaschine und
räumte ein bißchen auf. Seine Mutter rief an, ehe er dazu gekommen war, etwas
zu frühstücken. Er sagte ihr, Leslie sitze schon im Flugzeug und sie hätten
sich in der Nacht gegenseitig getröstet.
» Getröstet? Du hast doch nicht etwa mit
ihr geschlafen – oder, Jack?«
»Natürlich nicht!« sagte er indigniert.
»Na ja, Leslie kann manchmal ein bißchen zügellos sein«, sagte Alice.
Jack konnte sich vorstellen, wie Mrs. Oastler auf diese [616] Bemerkung
reagiert haben würde. Er hätte vermutet, daß seine Mutter die zügellosere von beiden war. Aber er sagte nichts. Er wußte,
daß er eigentlich mit seiner Mutter reden müßte, aber er wußte nicht, was er
sagen sollte.
»Leslie hat gesagt, ich soll mit dir reden, Mom. Sie hat gesagt, ich
soll dich alles fragen, solange noch Zeit ist.«
»Du meine Güte, das muß ja eine morbide Nacht gewesen sein!« sagte
Alice.
»Mom, rede mit mir.«
»Wir reden doch.«
Sie zierte sich. Jack weigerte sich, dieses Spiel mitzuspielen. Es
hatte eine Zeit gegeben, da hatte er versucht, sie alles zu fragen, und sie
hatte nichts davon wissen wollen. Jetzt wollte er ihr keine Gelegenheit geben,
ihr Herz auszuschütten. Was interessierte ihn das jetzt noch, was spielte es
für eine Rolle? Als er ein Kind gewesen war, als es eine
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