Bis ich dich finde
Satz des Romans, seit jeher sein Lieblingssatz,
verfuhr Jack ebenso willkürlich. Er stellte ihn ans Ende von Micheles
Kommentar, wo er nach seinem Dafürhalten mehr Gewicht bekam. (»Entweder gibt es
in dieser Stadt keine Zufälle, oder alles in dieser Stadt ist Zufall.«) Der
Satz war zu gut, um ihn im Vorspann zu verschwenden.
Jack folgte größtenteils Emmas Anweisungen. Die Figur Michele Maher
blieb ein Hoffnungsengel für untalentierte Drehbuchautoren; die schrecklichen
Manuskripte, die sie las, lagen ihr auf dem Gewissen, sie war eine
unerschütterliche Optimistin in der zynischen Welt der Drehbuchentwicklung.
Emma empfahl Jack, dem Pornostar Miguel Santiago einen eher
angelsächsischen Namen zu geben. (»Du siehst nicht nach Hispano aus,
Schätzchen.«) Jack entschied sich für James Stronach. Seine Mutter würde sich
über den Nachnamen freuen, und James ergab ganz selbstverständlich »Jimmy« –
den Namen des unglücklichen Schauspielers in Gelangweilte
Hausfrauen (1 bis 4), Steif und fest und
unzähligen anderen Erwachsenenfilmen, auf die sich Jimmys Ruhm gründete. James
(»Jimmy») Stronachs Hommage an James Stewart war ein wesentlicher Aspekt seines
Charakters. Die Szene, in der er als James Stronach den Text von Jimmy Stewart
aus Engel aus zweiter Hand und Ist
das Leben nicht schön lernt, war eine der anrührendsten des ganzen
Films.
Vor Drehbeginn von Die Schundleserin sah
James nicht wie ein Bodybuilder aus, aber er hatte Zeit, seine Ernährung
umzustellen und das Hanteltraining zu intensivieren. In Wirklichkeit würde er
nie wie ein echter Bodybuilder aussehen; er mußte bloß den Eindruck erwecken,
als gehörte er im Hantelraum des Fitness-Studios in die Hälfte, wo sich die
wirklich starken Männer die Gewichte auflegten. (Seine Tätowierungen im Film
würden nicht echt sein.)
[625] Emma hatte einige ihrer besten Sätze aus dem Roman Michele Mahers
Kommentar aus dem Off zugeschlagen: »In Venice habe ich in Riechweite eines
Sushi-Müllcontainers gewohnt« und ähnliches. In ihren Notizen riet sie Jack,
die Szene, in der die beiden sich gegenseitig masturbieren, wegzulassen. »Für
einen Film kommt sowieso schon zuviel Masturbation oder angedeutete Masturbation vor.«
Emma tat gut daran, mit Masturbation sparsam umzugehen – obwohl der
Film Die Schundleserin im selben Jahr anlief, in dem
ein anderer Film mit Masturbationsszenen – American Beauty – bei der Oscar-Verleihung groß abräumte. (Miss Wurtz hatte sich bestürzt
darüber gezeigt, daß Anthony Hopkins als Menschenfresser einen Oscar als bester Schauspieler gewonnen hatte, schwieg aber, als man Kevin
Spacey dafür auszeichnete, daß er sich unter der Dusche einen runtergeholt
hatte.)
Und Jack beschloß, Michele Mahers unschönes Erlebnis mit dem
schwedischen Powerlifter »Per der Zerstörer« wegzulassen. (Per ähnelte zu sehr
dem Bodybuilder im Gold’s, der Emma verprügelt hatte.) Statt dessen fügte Jack
eine Szene hinzu, in der sich James Stronach im Umkleideraum des World Gym nach
Bodybuildern mit kleinem Pimmel umsieht. Doch James trifft die falsche Wahl:
Der Mann, den er Michele vorstellt, ist nicht so zart gebaut, wie James glaubt.
Er tut Michele weh.
»Er war kräftiger gebaut, als du gedacht hast«, sagt Michele im Film
lediglich. (Die Worte Schwanz oder Penis werden tunlichst vermieden.)
»Konntest du ihm denn nicht sagen, daß es weh tut? Hast du ihn nicht
gebeten aufzuhören?« fragt Jack-als-James sie.
»Doch, schon, aber er hat nicht aufgehört«, antwortet Michele.
Natürlich zahlt es ihm Jack-als-James im Fitness-Studio heim. Der
Kerl mit dem nicht so kleinen Pimmel bittet James um Hilfestellung, als er auf
der Bank dreihundert Pfund stemmt: Die Gelegenheit ist zu günstig, als daß man
sie sich entgehen lassen dürfte.
[626] »Ich hab sie!« sagt James zu ihm, als ob man Jack-als-James
abnähme, daß er dreihundert Pfund halten kann. Er läßt dem Kerl mit dem großen
Pimmel die Hantel auf die Brust fallen und bricht ihm das Schlüsselbein.
Emma selbst hatte die Stelle, wo Michele die Kerle mit den kleinen
Pimmeln, mit denen sie schläft, als »gedämpftes Vergnügen« bezeichnet,
gestrichen – und es kamen keine Frontalansichten nackter Körper, keine
wirklichen Pornofilmszenen vor. Meistens sah man die Pornostars in den
Drehpausen oder im unspektakulären Einerlei ihres Privatlebens. (Die geilen
Männer in Motelzimmern, auf deren gebannten Gesichtern das Licht des
Fernsehbildschirms flackerte –
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