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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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fanden, Jack solle die handschriftliche Kopie so bald
wie möglich anfertigen. Zum »Überarbeiten« könne er sich soviel Zeit nehmen,
wie er wolle.
    »Soll ich das denn wirklich tun?« fragte Jack die beiden. »Ich meine
– ist es richtig?«
    »Emma hat es so gewollt, Jack, aber Sie müssen es natürlich nicht
tun«, sagte Alan.
    »Ja, die Entscheidung liegt ganz bei Ihnen«, meinte Bookman. »Aber
es ist ein ziemlich gutes Drehbuch.«
    Jack las es und machte mit. Emma hatte ihn schon zu [622]  Lebzeiten
unter ihre Fittiche genommen, und er sah keinen Grund, sich ihren Bemühungen zu
widersetzen, noch aus dem Grab Einfluß auf ihn zu nehmen.
    Daß er in der Kapelle von St. Hilda, wo Mrs. McQuat ihn davor
gewarnt hatte, Gott den Rücken zuzukehren, auf Wunsch von Mrs. Oastler »ein
paar Worte« zum Gedenken an Emma sagen sollte, paßte in seinen Augen zu der Art
von Autor, die er geworden war.
    Der öffentliche Eindruck, Emma Oastler habe an einer mehrjährigen
Schreibhemmung gelitten und sei infolgedessen stark übergewichtig geworden,
bekam weitere Nahrung durch den Artikel der italienischen Journalistin von der
Hollywood Foreign Press. Laut Jacks Interviewerin hatte das angeblich
platonische Zusammenleben mit dem Schauspieler Jack Burns in jüngster Zeit
gewisse Abnutzungserscheinungen gezeigt; dennoch habe die Bestsellerautorin ihn
in ihrem Testament überaus großzügig bedacht. Man wußte seit Jahren, daß Jack
»für die Schublade« schrieb, wie es in dem Nachruf auf Emma in Entertainment Weekly hieß. Nun hieß es, er »entwickle« ein
Drehbuch zu Die Schundleserin. (Zu ihren Lebzeiten
habe Emma »rätselhafterweise« keine Verfilmung ihres Romans gewollt.)
    Was Jack an Schuldgefühlen empfunden haben mochte, weil er Emmas
Geschenk als etwas ihm Zustehendes annahm, wurde dadurch besänftigt, daß Emma
gar nicht gewollt hatte, daß er die Wahrheit erzählte. Sie hatte gewollt, daß Die Schundleserin verfilmt wurde – und zwar mehr oder
weniger so, wie sie das Buch geschrieben hatte. Doch mit ihrem Namen auf dem
Drehbuch wäre der Film so, wie sie ihn geschrieben hatte, nie gedreht worden.
Jack Burns, wußte Emma, war ein Filmstar; mit seinem Namen auf dem Drehbuch
hätte er die Kontrolle über den Film.
    Und so schrieb Jack Burns bei einer der besseren Adressen, die er
kannte – nämlich in der Kanzlei der Sozii Bloom, Hergott, [623]  Diemer und Cook,
Rechtsanwälte in Beverly Hills –, Emmas Rohentwurf zu Die
Schundleserin handschriftlich ab und kopierte getreulich auch ihre
Notizen. Bei der ersten kleinen Änderung, die er vornahm – es handelte sich
noch nicht einmal um die Wahl eines anderen Wortes, sondern er verwendete lediglich die Zusammenziehung »zur«, wo Emma »zu der«
geschrieben hatte –, entdeckte er, daß es einem prospektiven Autor ohne
weiteres möglich ist, wenigstens teilweise vom Werk eines echten Autors Besitz
zu ergreifen. (Und bei künftigen Änderungen, Streichungen, Hinzufügungen nahm
das – wenngleich grundlose – Gefühl, er sei der eigentliche Urheber, nur noch
zu.)
    Das hätte ihn eigentlich nicht wundern dürfen. Schließlich war Jack
im Filmgeschäft. Er hatte miterlebt, wie Drehbücher geändert wurden und wie
viele Dilettanten daran herumpfuschten. Ein, zwei Fassungen später würde das
Drehbuch von Die Schundleserin selbst Jack so
vorkommen, als hätte er es verfaßt. Doch die Struktur des Drehbuchs und der
darin vorherrschende Ton waren ganz und gar von Emma. Als Schauspieler konnte
Jack ihre Stimme imitieren.
    Nicht jede Kunst ist Imitation, doch Imitation war das, was Jack am
besten konnte. Mit ein bißchen Regie – und von Emma bekam er eine ganze Menge –
war das Schreiben (oder vielmehr Umschreiben) des Drehbuchs von Die Schundleserin nichts weiter als Schauspielerei. Jack
machte seine Sache gut.
    Die Entscheidung, Michele Maher (die Hauptfigur) zur Erzählerin aus
dem Off zu machen, hatte Emma getroffen. Die Idee, den vorletzten Satz des
Romans zum ersten Satz des Kommentars aus dem Off zu machen, stammte von Jack.
(»Es gibt schlimmere Beziehungen in L.A. «) Man
sieht Michele, die Drehbuchlektorin, im Bett mit dem Pornostar: Unter der
Decke, so dürfen wir vermuten, hält sie seinen Penis in der Hand. Das alles ist
sehr geschmackvoll gemacht. Wie sich die beiden kennenlernen (sie liest das
grauenhafte Drehbuch des Pornostars), wird [624]  in Rückblenden erzählt. Natürlich
bekommt man seinen (das heißt Jacks) Penis nicht zu sehen.
    Mit dem ersten

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