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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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anrufen sollte. »Hier spricht der
Zimmerservice, Dr. Yap«, könnte er sagen. »Hätten Sie zum Frühstück gern Jack
Burns?«
    Er konnte sich vorstellen, daß Maureen »Ja, bitte« sagen [663]  würde,
aber ihm war nicht nach Scherzen zumute. Als Maureen ihm gesagt hatte, sie sei
im Four Seasons unter ihrem Mädchennamen abgestiegen, war das kein Witz
gewesen.
    Er duschte rasch und zog sich den Hotelbademantel und die dämlichen
weißen Hausschuhe an, als wäre er unterwegs zum Swimming-pool oder käme von
dort. Er kannte Maureen Yaps Zimmernummer; seine Fans am Empfang hatten sie ihm
verraten, obwohl sie das eigentlich nicht durften. Schließlich war er Jack
Burns – wenn er beim Empfang angerufen und darum gebeten hätte, ihm eine Pizza
Pepperoni nebst zwei Nutten zu besorgen, wäre das Gewünschte binnen
fünfundvierzig Minuten an seiner Tür gewesen.
    Durch die Filmschauspielerei hatte Jack gelernt, sich ohne Worte zu
präsentieren, und das kleine Guckloch in Maureen Yaps Hotelzimmertür bot ihr
ein unerwartetes Close-up ihres Lieblingsschauspielers. Nur wenige Augenblicke
zuvor war ihr Frühstück gekommen – und jetzt stand Jack Burns im Bademantel vor
ihrer Tür!
    »Ich habe den Tiger von Pam Hoover bekommen«, murmelte Maureen
erneut, als sie Jack einließ. Auch sie trug ihren Hotelbademantel – allerdings
ohne die dämlichen weißen Hausschuhe. (Jack streifte seine schon an der Tür
ab.)
    »Warum hast du den Flieger von Vancouver genommen?« fragte er,
während er den Gürtel ihres Bademantels löste.
    »Um mich an dir satt zu lieben«, sagte Maureen Yap, während sie
seinen Gürtel löste. Daß es wie »Um mich an dir platt zu liegen« klang, war
belanglos. Jack verstand, was sie meinte.
    Sie war winzig: ihr Becken konnte nicht größer sein als das einer
Dreizehnjährigen. Die Haut ihrer Brüste war so durchscheinend wie die eines
Kindes – ein schwach bläulicher Ton, als verliehen die Blutgefäße, wiewohl
unsichtbar, der Haut ihre Farbe. Wenn er mit beiden Händen ihren Oberschenkel
umfaßte, berührten sich seine Finger.
    [664]  »Mein Femur ist kleiner als dein Humerus«, sagte Maureen zu ihm;
nicht zu beschreiben, wie das klang, aber er schaffte
es irgendwie, sie zu verstehen.
    Maureens Mann und ihr Sohn riefen sie um Viertel vor zehn auf ihrem
Zimmer an – in Vancouver war es Viertel vor sieben, und der Vater machte den
Kleinen gerade für die Schule fertig. Maureen hielt Jack mit der Hand ein Ohr
zu und drückte seinen Kopf, und damit sein anderes Ohr, an ihren flachen Bauch.
Er konnte die an ihren Mann – der ebenfalls Arzt war – und an ihren Sohn
gerichteten Koseworte trotzdem hören, wenn auch nicht Wort für Wort verfolgen,
was sie zu ihnen sagte. Maureen war in Tränen aufgelöst; Jack spürte die
angespannten Muskeln in ihrem Unterbauch.
    Der Gottesdienst für Emma sei so traurig gewesen, erzählte sie Vater
und Sohn – bei dem Gedanken daran müsse sie noch immer weinen. Wieder hörte
Jack den Namen Pam Hoover – ihm war, als wäre von »Creme« und »stärkerem
Fieber« die Rede. Erst nach dem Telefongespräch kam er dahinter, daß Maureen
Yap gesagt hatte, sie »nehme einen späteren Flieger nach Vancouver«.
    Ebenfalls nach dem Telefongespräch erinnerte Jack sie daran, daß es
von ihrem Bett im Four Seasons aus nur ein Katzensprung zur Fledermaushöhle im
Royal Ontario Museum sei, was Maureen veranlaßte, ihm ihre Riesenflughund- und
Vampirfledermausimitation vorzuführen. Das wiederum führte natürlich dazu, daß
die beiden Emmas Geschichte vom gequetschten Kind nachspielten – mit allen drei
Schlüssen.
    »An dir kann man sich gar nicht satt lieben«, sagte die Yap später
zu ihm, als er im Bad war und Schwierigkeiten mit dem Pinkeln hatte. Er
verstand natürlich: »Ein Bier kann man sich ganz schlicht glatt ziehen«, oder
so ähnlich.
    »Meine Mutter hat Krebs«, rief Jack vom Bad aus. (Allerdings nicht
zu laut; die Tür war offen.) »Unheilbar.«
    »Komm wieder ins Bett«, sagte Maureen klar verständlich. [665]  Kaum
waren sie zu medizinischen Themen übergegangen, hatte er keinerlei Mühe, sie zu
verstehen. Dr. Yap sprach sehr deutlich.
    Was würde mit dem Gehirn seiner Mutter passieren, wollte Jack
wissen. Für Maureen klang es wohl wie die Frage eines Kindes, denn sie hielt
ihn, seinen Kopf an ihren Brüsten, in den Armen und sprach mit ihm wie mit
einem kleinen Jungen. »Für sie wird es wahrscheinlich nicht so schlimm wie für
dich, Jack«, begann sie, »je

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