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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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sollten Sie Ihre Ärztin fragen, ob sie Ihnen nicht etwas geben könnte.
Sie sollten es nur nicht nehmen, solange Sie noch versuchen, alles in eine
chronologische Reihenfolge zu bringen.«
    »Sie meinen, ein Medikament?« fragte er sie.
    [1126]  »Ja, ein Medikament«, antwortete Dr. Krauer-Poppe. »Es ist
ähnlich wie das, was wir Ihrem Vater geben, aber neuer und unterscheidet sich
etwas von Zoloft oder Seropram. Es heißt Cipralex. Es ist ähnlich wie das
Seropram, das wir William geben, enthält aber einen neuen Wirkstoff,
Escitalopram. Die Wirkung setzt sehr viel schneller ein – schon nach einer und
nicht erst nach zwei bis drei Wochen –, und wegen der höheren Wirksamkeit liegt
die Normaldosis bei zehn anstatt zwanzig Milligramm.«
    »Ist das ein Antidepressivum?« fragte Jack.
    »Natürlich«, sagte sie. »In den USA wird es, glaube ich, unter dem Namen Lexapro vertrieben, aber das müßte Dr.
García wissen. Escitalopram soll angeblich weniger Nebenwirkungen haben. Aber
das ist nicht in allen Studien nachgewiesen worden. Libidoverlust, mögliche
Impotenz oder verzögerte Ejakulation würden Ihnen vielleicht nicht gefallen.«
Sie hielt inne, um ihn anzulächeln. »Eindeutig nicht gefallen würde Ihnen, daß
es möglicherweise Ihre Fähigkeit einschränkt, die Geschichte Ihres Lebens in
chronologischer Reihenfolge zu erzählen, Jack. Also beenden Sie zuerst, was Sie
Dr. García erzählen, und dann versuchen Sie es.«
    »Finden Sie, daß ich depressiv bin, Anna-Elisabeth?«
    »Was für eine Frage!« sagte sie lachend. »Wenn Sie alles, was Sie je
zum Lachen, zum Weinen oder in Wut gebracht hat, in eine chronologische
Reihenfolge bringen – und wirklich nichts auslassen –, dann sind Sie natürlich
depressiv! Es wundert mich, daß Sie nicht selbst in einer Einrichtung wie dem
Sanatorium Kilchberg sind, Jack, und ich meine nicht als Besucher.«
    »Aber woher soll ich wissen, wann ich fertig bin? Das Ganze geht
immer weiter und weiter«, sagte er zu ihr.
    »Sie werden es wissen, wenn Sie fertig sind, Jack«, sagte Dr.
Krauer-Poppe. »Es ist zu Ende, wenn Sie das Bedürfnis haben, sich bei Dr.
García dafür zu bedanken, daß sie Ihnen zugehört [1127]  hat. Es ist zu Ende, wenn
Sie das Bedürfnis haben, jemand anderem alles zu erzählen – jemandem, der kein
Therapeut ist.«
    »Aha.«
    »Gott!« sagte sie. »Wer hätte gedacht, daß die Art, wie jemand ›aha‹
sagt, erblich ist?«
    Sie gab Jack die Hand. Im Weggehen rief sie ihm, während ihre hohen
Absätze etwas unsicher über das Kopfsteinpflaster stöckelten, noch etwas zu.
»Morgen früh hole ich Sie genau da ab, wo Sie jetzt stehen, Jack, und gehe mit
Ihnen zur Kirche. William kommt mit Dr. Horvath.«
    »Bis morgen!« rief er ihr zu. Dann ging er ins Hotel und rief seine
Schwester an.
    Auf dem kleinen Notizblock, der neben dem Telefon auf dem
Nachttischchen lag, erkannte Jack am anderen Morgen seine Handschrift.
     
    Cipralex, 10 mg
    (Lexapro in den Staaten?)
    Dr. García fragen
    Was hatte Professor Ritter gesagt? »Ihr Vater hat Verluste
erlitten.« Die Verluste allein hätten jeden zum Frieren gebracht. Vielleicht
hatten Williams Tätowierungen gar nichts damit zu tun.
    Das Gespräch mit Heather war gut verlaufen. Zwar hatte Jack sie
geweckt, aber sie hatte sich über seinen Anruf gefreut.
    »Endlich habe ich ihn getroffen. Es hat auch lange genug gedauert!
Ich war mehrere Stunden mit ihm zusammen«, begann Jack. »Dr. von Rohr, Dr.
Krauer-Poppe und ich sind mit ihm essen gegangen, in die Kronenhalle. Natürlich
habe ich Hugo kennengelernt – und alle anderen.«
    »Sag es einfach!« schrie seine Schwester.
    »Ich liebe ihn«, sagte er rasch.
    [1128]  »Mehr mußt du gar nicht sagen, Jack«, sagte sie und fing an zu
weinen.
    »Ich liebe ihn und jeden Zentimeter seiner Haut«, sagte Jack zu ihr.
    »Mein Gott, du hast doch nicht etwa das Wort Haut gesagt, oder?« fragte sie ihn.
    »Ich habe es ihm im Zusammenhang damit gesagt, daß ich ihn liebe,
deshalb ist nichts weiter passiert«, sagte Jack. »Er fand, ich bin kein
Schisser, weil ich das gesagt habe.«
    »Das finde ich auch!« rief Heather.
    »Es hat nur ein paar Vorfälle gegeben – nichts allzu Schlimmes«,
erklärte er.
    »Es wird immer Vorfälle geben, Jack. Davon brauchst du mir nichts zu
erzählen.«
    »Ist das mit den Prostituierten für dich okay?« fragte er sie.
    »Ist es denn für dich okay, Jack?«
    Alles in allem sei es das, sagte Jack. »Wenn Hugo dabei ist, kann er
nicht

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