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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Bäumen. Die Blumenkästen in den Fenstern der umliegenden Läden
und Häuser waren bepflanzt. Ein paar Bauarbeiter waren dabei, ein Mietshaus zu
renovieren. Das Gebäude lag der Kirche gegenüber, und die Arbeiter standen auf
dem Gerüst und arbeiteten. Ein Hammer dröhnte. Zwei Männer [1131]  machten etwas
Kompliziertes mit einer elektrischen Säge. Ein vierter montierte Rohre, um das
Gerüst zu erweitern.
    Es war der Rohrmontierer, der Dr. Krauer-Poppe als erster erspähte
und ihr zuwinkte. Die anderen drei drehten sich zu ihr um, zwei applaudierten,
einer pfiff.
    »Die kennen Sie anscheinend«, sagte Jack zu Anna-Elisabeth,
erleichtert darüber, daß er seine Stimme wiedergefunden hatte. »Oder sind die
einfach wie Bauarbeiter überall?«
    »Das werden Sie schon sehen«, sagte sie. »Diese Arbeiter sind ein
bißchen anders.«
    Es war seltsam, daß Leute in die Kirche gingen, obwohl es noch vor
acht Uhr an einem gewöhnlichen Werktag war. Ob dort eine Messe stattfinde,
fragte Jack die Ärztin. Nein, die Kirche St. Peter sei protestantisch,
versicherte sie ihm. Messen fänden dort gar nicht statt, nur jeden Sonntag ein
Gottesdienst.
    »Wir können sie nicht daran hindern«, sagte Dr. Krauer-Poppe. »St.
Peter ist der Öffentlichkeit zugänglich.«
    Immer mehr Menschen stiegen die breiten, flachen Stufen des
Eingangsportals hinauf. Sie wirkten wie Einheimische, nicht wie Touristen. Jack
sah Männer in Straßenanzügen, wie der Bankier, der seinen Vater in der
Herrentoilette der Kronenhalle überrascht hatte. Er sah Frauen mit kleinen
Kindern und komplette Familien. Sogar Teenager kamen.
    »Kommen sie alle, um ihn spielen zu hören?« fragte Jack die Ärztin.
    »Wie sollen wir sie daran hindern?« gab sie zurück. »Werden so nicht
auch Bücher und Filme verkauft? Mundpropaganda nennt man das wohl.«
    Die Kirche St. Peter war brechend voll. Es gab nur noch Stehplätze.
»Sie werden sich ohnehin nicht setzen«, sagte Dr. Krauer-Poppe zu Jack. »Und
Sie werden gehen, kurz bevor Ihr Vater fertig wird. Er möchte nicht, daß Sie
sehen, wie es endet, jedenfalls nicht beim ersten Mal.«
    [1132]  »Wie was endet?« fragte Jack. »Wieso soll ich gehen, bevor er
fertig ist?«
    »Bitte vertrauen Sie mir«, sagte Anna-Elisabeth. »Klaus – Dr.
Horvath – wird mit Ihnen hinausgehen. Er weiß, wann es soweit ist.« Wieder
schlug sie die Hände vors Gesicht. »Das wissen wir alle«, sagte sie, das
Gesicht versteckt.
    Der Boden der Kirche bestand aus poliertem grauen Marmor. Anstelle
von Bänken gab es Stühle aus hellem Holz, die aber ebenso akkurat ausgerichtet
waren wie Bänke. Die Kirchenbesucher schauten nach vorn und wandten der Orgel
den Rücken zu, als sollte ein richtiger Gottesdienst mit Predigt und allem Drum
und Dran stattfinden. Jack fragte sich, warum die Leute nicht ihre Stühle
umdrehten, damit sie den Organisten, dessentwegen sie – und zwar nicht zum
ersten Mal, wie er mittlerweile begriff – gekommen waren, wenigstens sehen
konnten.
    Die Orgel befand sich auf einer Empore im hinteren Teil der Kirche,
über der Gemeinde. Die Orgelbank stand, soweit Jack das erkennen konnte,
offenbar vom Altar abgewandt. Der Organist blickte nur auf die silbernen
Orgelpfeifen, die, in Holz gerahmt, vor ihm aufragten.
    Wie streng, dachte Jack. Der Organist wendet der Gemeinde den Rücken zu und umgekehrt!
    Neben der hölzernen Kanzel stand eine schwarze Vase mit Blumen. Über
dem Altar befand sich eine Inschrift.
     
    Matth. iv .10.
    Du solt anbätten
    Den Herren deinen Gott
    Und Ihm allein
    dienen.
    Jack mußte Dr. Krauer-Poppe um eine Übersetzung des ältlichen
Deutsch bitten.
    [1133]  »Mein Vater ist wohl das, was man einen wahren Gläubigen nennen
würde«, sagte er.
    »Er versucht nie, einen zu bekehren«, sagte Anna-Elisabeth. »Er kann
glauben, was er will. Er schreibt weder mir noch sonst jemandem vor, was wir zu
glauben haben.«
    »Außer was das Thema Verzeihen angeht«, widersprach ihr Jack. »Er
hat mir ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, daß ich meiner Mutter verzeihen
muß.«
    »Das hat aber nicht unbedingt mit Religion zu tun, Jack«, sagte Dr.
Krauer-Poppe, »sondern eher mit gesundem Menschenverstand, oder?«
    Sie verließen die Kirche wieder und gelangten durch eine separate
Tür und über eine Treppe auf die Orgelempore. Die Orgel war kleiner als die
Instrumente, die Jack zu sehen gewohnt war: sehr hübsch, mit hellfarbenem Holz.
Sie hatte dreiundfünfzig Register und war von einer Firma namens

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