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Bis ich dich finde

Bis ich dich finde

Titel: Bis ich dich finde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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immer wieder sehen«, versprach er ihm.
»Ich habe vor, immer wieder herzukommen. Heather und ich werden in Zürich ein
Haus kaufen.«
    William hörte augenblicklich zu weinen auf und sagte: »Ihr müßt verrückt
sein! Das ist eine der teuersten Städte der Welt! Frag Ruth, frag
Anna-Elisabeth! Sagen Sie’s ihm!« brüllte er die beiden Frauen an. »Ich will
nicht, daß meine Kinder sich finanziell ruinieren«, klagte er und schlang sich
beide Arme um die Brust, als fröre er.
    »Sehr bald wird ihm kalt werden«, sagte Dr. von Rohr zu ihrer
Kollegin.
    »Mir ist nicht immer kalt«, wandte Jacks Vater ein.
    Dr. Krauer-Poppe war aufgestanden und hatte William die Hand auf die
Schulter gelegt. Er saß zitternd auf seinem Stuhl. »Mund auf, William«, sagte
sie. »Wenn Sie das nehmen, frieren Sie nicht mehr – Sie fühlen sich bloß
schläfrig.«
    Jacks Vater wandte ihr das Gesicht zu und streckte ihr die Zunge
heraus. (Jack begriff, daß er das Zunge-Herausstrecken beim ersten Mal vielleicht
mißverstanden hatte.) Dr. Krauer-Poppe legte William eine Tablette auf die
Zungenspitze und hielt ihm das Wasserglas an den Mund. Er schluckte.
    [1119]  »Ich sehe rasch nach, ob Hugo schon mit dem Wagen da ist.
Eigentlich müßte er es sein«, sagte Dr. von Rohr und stand vom Tisch auf.
    »Professor Ritter hat ein Haus in einer dieser überteuerten
architektonischen Monstrositäten am Ufer gegenüber dem Sanatorium«, fing Jacks
Vater wieder an, sobald er die Tablette geschluckt hatte. »In Zollikon oder
Küsnacht oder einem dieser Nobelorte.«
    »In Küsnacht, William – es ist sehr schön«, versicherte Dr.
Krauer-Poppe Jack. »Diese Seite des Sees bekommt mehr Sonne.«
    »Das hat mir der Taxifahrer auch gesagt«, sagte Jack.
    »Aber weißt du auch, was es gekostet hat?« fragte sein Vater ihn.
»Vier Millionen Schweizer Franken, und wofür? Ein Haus mit drei- bis
vierhundert Quadratmetern Wohnfläche, und dafür zahlt man über drei Millionen
Dollar? Das ist doch verrückt!«
    »Das Haus hat Seeblick und außerdem einen Garten«, erklärte Dr. Krauer-Poppe.
»Der Garten ist bestimmt tausend Quadratmeter groß, William.«
    »Es ist trotzdem verrückt«, sagte Jacks Vater stur, aber er zitterte
wenigstens nicht mehr. Dr. Krauer-Poppe stand hinter seinem Stuhl und massierte
ihm die Schultern. Sie wartete bloß darauf, daß die Tablette zu wirken begann.
    »William, Jack könnte ein kleines Haus in der Stadt kaufen, etwas
weniger Teures«, sagte Dr. Krauer-Poppe. »Ob er den See sieht, ist ihm bestimmt
egal.«
    »In Zürich ist alles teuer!« erklärte Jacks Vater.
    »William, Sie gehen in Zürich Kleidung kaufen und Prostituierte
besuchen. Wofür geben Sie sonst noch Geld aus?« fragte ihn Dr. Krauer-Poppe.
    »Siehst du, womit ich es zu tun habe, Jack? Es kommt mir vor, als
wäre ich verheiratet!« sagte sein Vater zu ihm. Dann sah er, daß Dr. von Rohr
wieder da war. »Und zwar mit beiden!«
    [1120]  »So unglaublich es klingt, aber Hugo ist mit dem Auto da«,
verkündete Dr. von Rohr. »Er hat tatsächlich daran gedacht.«
    »Sie sind zu streng mit dem armen Hugo«, sagte William zu Dr. von
Rohr. »Warte, bis du ihn kennengelernt hast, Jack. Er ist ein
Herman-Castro-Typ.«
    Mit anderen Worten ein Schwergewichtler, wie Jack auf den ersten
Blick erkannte, als er Hugo ungeschlacht über den schwarzen Mercedes gebeugt
sah. Hugo war dabei, mit dem Ärmel seines weißen Hemdes den Stern zu polieren.
Er war eher wie ein Kellner als wie ein Chauffeur oder Krankenpfleger
gekleidet. Doch trotz des langärmeligen weißen Hemdes konnte Jack erkennen, daß
Hugo den durchgeformten Körper eines Bodybuilders besaß.
    Während seine ältere Schwester Waltraut klein und stämmig war, war
Hugo unübersehbar riesig. Er hatte sich selbst zum Riesen gemacht. Er selbst
hatte diese gewaltigen Schultern und prallen Oberarme aufgebaut. Er hatte sich
einen Hals antrainiert, der fast den Umfang von Williams Taille besaß. Und er
hatte sich unglücklicherweise den Kopf rasiert – wenngleich nicht undenkbar
war, daß es sich dabei um eine Verbesserung handelte. Sein Gesicht hatte die
banale, schlichte Zweckmäßigkeit einer Schaufel. Der einzelne goldene Ohrring,
ein nichtssagendes Accessoire, lenkte die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, daß
dem anderen Ohr das Läppchen fehlte. (Ein Zusammenstoß mit einem Hund in einem
Nachtclub, hatte Jack auf der Fahrt von Kilchberg nach Zürich von seinem Vater
erfahren.)
    »Aber Hugo muß dir nicht

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