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Bis Sansibar Und Weiter

Titel: Bis Sansibar Und Weiter Kostenlos Bücher Online Lesen
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das Telefon. Oma ging ran und reichte mir dann den Hörer. »Für dich, Marius«, sagte sie.
    »Ich bin’s«, hörte ich Lindas Stimme. »Du, Marius?«
    Ich reagierte nicht. Die Dame konnte mich mal. Wahrscheinlich wollte sie fragen, ob es bei dem Termin für die Mathe-Nachhilfe blieb. Dafür war der kleine Mathefuzzi immer noch gut genug.
    »Marius, hier ist Linda!«, rief sie.
    Bevor ich wieder schwach wurde, unterbrach ich das Gespräch. Mit Linda wollte ich nichts mehr zu tun haben. Nie mehr!

Vierzehntes Kapitel
    A m Morgen weckten mich raschelnde Geräusche. Ich lief zum Fenster. Im Schein der aufgehenden Sonne saß der Kapitän an Deck der »Annemarie« und las Zeitung. Seine langen Beine in den abgewetzten Uniformhosen baumelten an der Bordwand herunter. Meine Armbanduhr zeigte halb acht. In den Ferien stand ich für gewöhnlich nicht vor zehn auf.
    Ich wollte gerade wieder ins Bett gehen, als mich der alte Seemann entdeckte. Er winkte mir zu und machte mir Zeichen herunterzukommen. Tja, das war’s dann wohl mit Ausschlafen. Seufzend öffnete ich das Fenster. Kühle Morgenluft drang herein. Der Himmel war wolkenlos, es versprach, ein sonniger Tag zu werden. Für die Arbeiten am Schiff konnten wir uns nicht Besseres wünschen.
    »Ich bin gleich da, Chef!«, rief ich. »Haben Sie schon gefrühstückt?«
    »Bring Kaffee mit!«, rief er zurück.
    »Was tust du denn hier, mitten in der Nacht?«, fragtemich Oma, die in der Küche saß und in einer Modezeitschrift blätterte. Sie steht immer so früh auf. Das nenne man »senile Bettflucht«, sagt sie. Der Friseur hatte ihr die Haare dunkelrot gefärbt und Dauerwellen reingemacht. Oma sah dadurch mindestens drei Monate jünger aus. Oder vier.
    »Der Kapitän wartet auf mich«, antwortete ich und versorgte mich mit einer großen Schale Cornflakes.
    »Das Schiff sieht schrecklich aus«, stellte Oma fest und goss sich Kaffee nach. »Das wird nie was.«
    Ich zuckte mit den Schultern. Mit Linda war es aus. Ob die Annemarie unsere Restaurierungsversuche heil überstand, spielte keine Rolle mehr. Am besten verkaufte ich das Schiff so schnell wie möglich – vorausgesetzt es wollte jemand haben. Wenn alle Stricke rissen, konnte ich immer noch den Geldmacher fragen. Allerdings wusste er, was ich dem Kapitän für das Boot bezahlt hatte, und würde bestimmt nicht mehr als tausend Euro rausrücken.
    »Der Käpt’n säuft«, sagte Oma. Sie schien sich vorgenommen zu haben, mir den Tag zu verderben. Wahrscheinlich hatte sie schlecht geschlafen. Oder der Friseur war nicht nett zu ihr gewesen. Aber musste sie das an mir auslassen?
    »Lass ihn doch«, erwiderte ich. »Ist seine Sache.«
    »Der säuft wie ein Loch«, fuhr meine Großmutter unbeirrt fort. »Ich möchte wissen, was deine Mutter mit ihm redet. Irene ist so leicht beeinflussbar.«
    »Er tut ihr gut«, sagte ich, schüttete gegen Omas Protestden Rest Kaffee in eine Thermoskanne, nahm eine Tasse aus dem Küchenschrank und lief nach draußen.
    Kaum trat ich ins Freie, kletterte der Kapitän vom Schiff herunter. Wortlos nahm er mir Thermoskanne und Tasse ab, goss sich Kaffee ein und trank gierig. Nachdem er ausgiebig gerülpst hatte, sagte er: »Dann mal los. Der frühe Vogel fängt den Wurm. Wir haben viel zu tun, Kleiner.«
    Damit drückte er mir eine von zwei batteriebetriebenen Schleifmaschinen in die Hand und zeigte mir, wie man sie bedienen musste. Er selbst begann am Bug, ich am Heck.
    Gegen Mittag hatten wir das Gröbste geschafft. Jetzt begann die Kleinarbeit – und zwar mit grob- und feinkörnigem Schmirgelpapier. Am Abend hatten wir ungefähr vierzig Bögen verbraucht und meine Finger brannten wie Feuer. Dafür waren auch die letzten Reste der weißen Farbe verschwunden. Jetzt sah die Annemarie bis in den letzten Winkel grau aus, grau und unscheinbar. Während ich mich erschöpft auf einen Gartenstuhl fallen ließ, wusch der Kapitän das Holz sorgfältig ab.
    »Morgen kommt das Holzöl drauf«, sagte er, als er fertig war.
    »Und dann sehen wir das Mahagoni?«, fragte Mama ungläubig. Zusammen mit Oma begutachtete sie unser Werk von allen Seiten.
    Der Kapitän nickte. »Sie werden begeistert sein, Madame.«
    »Was ist mit dem Schwertkasten?«, wollte ich wissen.
    »Morgen«, antwortete der Kapitän, während sich sein Gesicht zu einer schmerzhaften Grimasse verzog.
    »Würden Sie mich nach Hause fahren?«, fragte er Oma. »Gartenweg 15. Ist nicht weit. Bitte!«
    »Geht es Ihnen nicht gut?«
    »Überhaupt

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