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Bis Sansibar Und Weiter

Titel: Bis Sansibar Und Weiter Kostenlos Bücher Online Lesen
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Front- und Heckscheibe geklemmt. Auf einem ebenfalls uralten Anhänger lag die Annemarie.
    Jetzt öffnete sich die Fahrertür und der Kapitän stieg aus. Er schwankte ein wenig. »Da hast du dein Schiff«, grollte er.
    »Ich will es nicht«, sagte ich. »Sie können es behalten.«
    Er hörte gar nicht hin. Stattdessen griff er in die ausgebeulte Tasche seiner Uniformjacke, holte eine kleine Flasche heraus und nahm einen gewaltigen Schluck.
    »Ich sagte, Sie können die Annemarie behalten!«, rief ich. »Nehmen Sie sie wieder mit!«
    Der Kapitän schien mal wieder taub zu sein.
    »Ich brauche sie nicht mehr!«, rief ich, obwohl ich wusste, dass es sinnlos war. Der Mann hatte offenbar kräftig getankt – und zwar kein Super. Ließ ich ihn jetzt in den Gartenweg zurückfahren, würde er womöglich die halbe Stadt in Schutt und Asche legen.
    »In Ordnung«, sagte ich. »Bringen Sie die Annemarie hinters Haus. Meine Oma muss zum Friseur.«
    Wenigstens das schien der Kapitän verstanden zu haben. Er klemmte sich umständlich hinters Steuer und setzte Wagen und Anhänger mit einer angesichts seines Zustands erstaunlichen Sicherheit neben den Kirschbaum. Als er den Motor abstellte, kippte sein Kopf nach vorn. Kurze Zeit später hörte ich ihn schnarchen.
    Meine Oma hatte die ganze Zeit neben mir gestanden. »Was hat er?«, fragte sie.
    »Er ist müde«, antwortete ich.
    »Aha«, sagte sie und ging zu ihrem Auto. »Das Boot ist ziemlich hinüber!«, rief sie mir zu, während sie einstieg. »Findest du nicht, Marius?«
    »Mahagoni!«, rief ich zurück. »Das ist schönstes Mahagoni. Da hat bloß einer drübergepinselt!«
    Doch das hörte Oma nicht mehr. Sie ließ den Motor ihres Ferraris an und verschwand mit kreischenden Reifen um die nächste Ecke.
     
    Während der Kapitän seinen Rausch ausschlief, schaute ich mir Mamas neue Entwürfe an. Sie waren wunderbar, einer wie der andere. Jansen würde begeistert sein. Zwischendurch guckte meine Mutter mit gerunzelter Stirn aus dem Fenster. Es gefiel ihr offenbar genauso wenig wie mir, dass der alte Straßenkreuzer mit der Annemarie auf dem Anhänger direkt neben unserem Kirschbaum stand.
    »Ich will das Boot nicht mehr«, sagte ich.
    Mama strich mit dem Handrücken über einen ihrer Entwürfe. Es war ein Geschenkpapier für den Sommer, auf dem sich bunte gleichschenklige Dreiecke bei genauerem Hinsehen in Segelboote, Surfbretter, Sonnenbrillen und Badetücher verwandelten. Auseinander geschnipselt und auf Pappe geklebt, würde es fantastisch aussehen. Vielleicht konnte ich meine Mutter ja irgendwann überreden, Tapeten zu entwerfen. Tapeten werden noch besser bezahlt als Geschenkpapier.
    »Der Kapitän kann die Annemarie gleich wieder mitnehmen«, fuhr ich fort.
    »Ja, bitte. Das wäre gut«, sagte sie leise.
    Ich wollte ihr sagen, dass mir Linda in Zukunft den Buckel runterrutschen könne – da klingelte es. Ich lief zur Haustür und öffnete. Draußen stand der Kapitän. Er schwankte nicht mehr, seine Augen schauten mich fest an. »Ich geh dann mal von Bord«, grollte er. »Viel Spaß mit dem Schiff!«
    »Aber ich brauche die Annemarie nicht mehr!«, rief ich.
    »Das Auto lasse ich bei euch stehen«, fuhr er ungerührt fort. »Dann können wir das Boot zum Kanal bringen, wenn es wieder in Schuss ist.«
    Ich packte ihn am Ärmel seiner Uniformjacke und schüttelte ihn. »Ich... will... die... Annemarie... nicht... mehr!«, brüllte ich. »Geben Sie mir das Geld zurück!«
    Er nahm seine Mütze ab und kratzte sich am Hinterkopf. »Das geht nicht«, murmelte er, ohne mich dabei anzusehen.
    »Wieso nicht?«
    »Das Geld ist weg.«
    »Weg? Tausend Euro weg?«
    Er nickte.
    »Wieso?«
    »Ich hab ’ne Sause gemacht«, antwortete er. »Zum ersten Mal seit zwanzig Jahren hab ich mal wieder ’ne richtige Sause gemacht. Bis heute Morgen um sieben. Hat dem ollen Käpt’n gut getan, Kleiner.«
    Ich schluckte. »Und was ist von den tausend Euro noch übrig?«, wollte ich wissen.
    »Kein müder Cent«, erklärte er. »Alles weg.«
    Während ich mir überlegte, ob ich ihn erst gegen das Schienbein oder sofort in den Bauch treten sollte, kam Mama die Treppe herunter. »Kommen Sie doch herein, Käpt’n«, sagte sie. Dabei strahlte sie den Kerl an, als wäre er der Weihnachtsmann persönlich. »Möchten Sie eine Tasse Kaffee?«
    »Aber gern, Madame«, sagte er und folgte meiner Mutter in die Küche.
    Und ich? Ich schluckte alles herunter, was mir an Schimpfwörtern einfiel, und lief hinauf in

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