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Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Titel: Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Toten Hosen
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Popmusik dadurch noch einen zweiten Dienst: Die zweitausend Mark für die Plakataktion wurden umgehend in zwei weitere Studiotage in Bochum investiert.
    So konnte nicht viel später »Opel Gang« erscheinen, unser Erstling in der Longplay-Welt. Wieder ließen wir nach Trini-Logik in hoher, kostengünstiger Startauflage pressen, und zwar gleich 20.000 Stück. Soviel hatten zu der Zeit in der Punkszene bisher nur Abwärts mit ihrem ersten Album verkauft. Trini-Strategie war auch, daß die Bänder im Preßwerk der EMI vervielfältigt wurden. »Wenn die sehen, wieviel wir davon verkaufen, steigen die vielleicht mal bei uns ein«, sagte Trini - immer bereit, die Ideologie von dem »ehrlichen« Deal beim unabhängigen Klein-Label zu hintertreiben. Gar nicht so viel später klappte das tatsächlich, wenn auch auf andere Art.
    Doch zunächst war unser Büro auf der Kölner Straße wieder mal bis zur Unbegehbarkeit vollgestopft. Die Kartontürme schrumpften dieses Mal aber spürbar schneller, und selbst in der »Spex«-Redaktion fand man auf einmal, daß »Opel Gang« »DIE deutsche Platte« ist, »an der man nichts aussetzen kann. Weder zu peinlich, noch intellektuell, noch Kunst, noch verbissener Ernst. Sie hat, was viele deutsche Platten nicht haben: Humor. Keinen aufgesetzten, überspannten, albernen. Sondern schlauen.. .Wer bringt SOLCHE Melodien hierzulande zustande. Kaum jemand, denn niemand klaut so perfekt wie die Toten Hosen...«
    Wollten die Kölner uns nun völlig bloßstellen? War es ihre Art, uns den Rest zu geben ? Wahrscheinlicher ist, daß wir mit dieser Platte einer ganzen Reihe von Stinkern und Zweiflern den Zahn gezogen hatten. Von »Opel-Gang« über »Ülüsü« und »Willi muß ins Heim« bis zu »Wehende Fahnen« ist es eine Palette von fünfzehn Liedern geworden, die auf ihre Art alle was taugen. Langsam dämmerte es denen in den Redaktionen, daß es nicht um »Dilletantismus« und eine Chaos-Combo ging. Diese Platte hatte klare Strukturen, nicht zuletzt durch Jons hervorragende Produktion, sie stand in erkennbaren Zusammenhängen: »Stücke in bester Pop-Punk-Tradition, wie sie zur Blütezeit dieser Spielart in England nicht besser entstanden...« (Musik-Express).
    Einige waren aber enttäuscht, daß die Qualität der Aufnahmen von ihrer Idee einer Chaos-Punk-Truppe abwich. Die müssen in uns fünf Ausgaben von Eddie the Eagle auf dem Musikmarkt gesehen haben - diesem komischen Briten von der Vierschanzen-Tournee der Skispringer, der immer zwanzig Meter hinter allen anderen runterkam. Umgekehrt wollten andere sich einfach nicht überrumpeln lassen und fanden schon die Aufmachung anmaßend. »Ausgerechnet die anerkannt kaputteste Band.. .wird mit einer farbigen Luxus-Dop-pelhülle ausgestattet«, maulte - ausgerechnet - der Kritiker von »Pop-Rocky«. Aber er, er ließ sich natürlich nicht täuschen: »Schrott bleibt Schrott.«
    Also. Den Manta um die Ecke parken, nahe Fürstenplatz, dann durch die Tür direkt ins Studio. Gleich angreifen. Kuddel ist da, stimmt seine Gitarre, Wölli hockt da und qualmt. Hinter der ausgebreiteten »Express« die Lastwagenfahrer-Haare von Breiti. Und der Mann an den Reglern, der gerade mit Andi am Baß-Sound fummelt, heißt auch 1995 noch Jon Caffery.Jon, der einst bei »God save the Queen« von den Sex Pistols mitgemischt hat und bei uns ist, seit er uns vor zigjah-ren mal in Berlin erlebte. Die Konstanz solcher Verbindungen sagt mir: Wir sind’s noch, egal wie. Derselbe Manager seit vierzehn Jahren, und nie einen Vertrag aufgesetzt. Dieselben Kerle, Faust und Elmar, als Fahrer und Verantwortliche in Sachen PA und Backline. Immer noch Kiki als Tourchef, immer noch Andrea im Büro. Wir haben immer auf die Leute gesetzt, die am Anfang schon da waren, haben nie wem gekündigt in all der Zeit. Wer auf einem Posten überflüssig wurde, hat es irgendwann von selbst gemerkt und wechselte auf einen anderen. Gemeinsam wachsen wir immer weiter.
    Sind die Hosen vielleicht die wahren Hippies? Ist das überhaupt noch »Punkrock«, was wir heute fabrizieren? Oder ist das mehr »Rock«, oder eher schon »Pop«? Mich haben diese gerichtsmedizinischen Gutachten, wer von wem wieviel hat, nie besonders interessiert. Klar, wir sind unter der Flagge »Punkrock« gesegelt. Punk war damals der Traditionszusammenhang, wie der Feuilletonist sagen würde. Aber das war, wenigstens für ein paar Jahre, mehr als ein musikalisches Lager. Es war eine Haltung, eine Art in den Schuhen zu stehen, die

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