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Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Titel: Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Toten Hosen
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folgten. Die örtliche CSU-Größe, die die Dreharbeiten genehmigt hatte, sah sich unversehens am jähen Ende ihrer politischen Laufbahn.
    Wir aber hatten eigentlich nur gewonnen. Wir kannten jetzt einen fähigen Filmregisseur, der nicht aus Kierspe stammte, und wir hatten in Kurt Raab einen neuen, nicht ganz unkomplizierten Freund. Von seinem Diva-Potential her hätte es Kurt sicher bis in die Hollywood-Liga hinauf schaffen können. Als wir mit Kurt im März 1984 im Conny-Plank-Studio den »Kriminaltango« einspielten, war ihm immer alles ungelegen. Wenn wir Essenspausen hatten, machte Kurt weiter; wenn wir weitermachen wollten, kriegte er plötzlich Hunger. Und dann diese ganze Palette von impulsiven, völlig banalen Eingebungen, an denen du mit verbundenen Augen den Schauspieler erkennst: »Ich brauch jetzt unbedingt ’ne Cola«, »Ich geh mal raus«, »Gibt’s hier ’n Zigaretten-Automaten?« Das nur mal als Ausschnitt von durchschnittlichen zwölf Minuten.
    Aber Kurt war auch ein begeisterter Hosen-Anhänger und eine Art Patenonkel, bevor ihn der HlV-Virus und sein tödliches Siechtum Jahre später unseren Blicken entzog. Er ließ keine Gelegenheit aus, uns auf der Bühne zu sehen, wenn wir gerade in der Gegend waren. Einmal war er mit dem Flieger gerade wieder in München gelandet und sah vom Taxi aus die Werbebanden an der Alabamahalle, wo wir an dem Abend spielten. Er ließ den Taxifahrer drehen, löste ein Ticket und stürmte zu uns auf die Bühne, als er die ersten Takte von »Kriminaltango« hörte. Und da kriegte er gleich von den Ordnern eine reingesemmelt, die ihn für einen durchgedrehten Ho-sen-Fan hielten - das war er zwar, aber ganz anders. Kurt spaltete seine Umgebung eben sehr schnell in Freunde und Feinde, er löste immer irgendwas aus. Zum Beispiel auch durch unser Video: Die Pfarrei von Fürstenfeldbruck fand ihre Kirche durch Kurts zweideutige Geste sowas von geschändet, daß sie sie anschließend neu weihen ließ.
    Wieder keine TV-Präsenz, noch immer kein Boom, und schon 70.000 Mark durch den Schornstein - fast hätte uns die EMI leidgetan. Als drittes mußten sie auch noch feststellen, daß irgendwo in diesen knapp drei Minuten ein Kerl mit ponyblonder Perücke und dunkler Sonnenbrille unter den Hochzeitsgästen auftauchte, der verdammt nach ihrem Erfolgsact Heino aussah. Das war »Der wahre Heino«, der vom Frühjahr 1984 an unsere Konzerte zum Playback von »Caramba, Caracho«, »Blau blüht der Enzian« und ähnlichen Schmetterarien eröffnete. Der Heino, den Heino dann verklagte.
    Unter seinem Künstlernamen Norbert Hähnel betrieb Heino in Berlin ein kleines Plattengeschäft, den »Scheißladen«. Hier und da, zum Beispiel an der Technischen Uni, wo wir ihn kennenlernten, veranstaltete er auch Konzerte. Nach unserem Gig an der TU fuhren wir gemeinsam los, um in der Stadt noch was trinken zu gehen. Theo, seine Freundin, kotzte unterwegs aus dem fahrenden Auto raus und trank dann mit uns weiter. Das hatte uns schwer beeindruckt. Wer so eine tolle Freundin hat, dachten wir, soll auch mit uns befreundet sein. Dann erfuhren wir von dieser Playback-Show.
    Auf den ersten Konzerten flogen Tausende von Dosen auf Heino, es wurde gebuht und gepfiffen. Allmählich aber wurde sein Auftritt zur Kultnummer. Es war die mit Abstand beste Art, unsere Konzerte einzuheizen, fanden wir. Nur »Heino«, der Erfolgsact von der Schlagerfront, und die Häuptlinge von der EMI-Etage »Volksmusik« waren nicht begeistert. Es war wie überall: Die mittleren Chargen der Firma grinsten über unseren Gag, doch die das Sagen hatten, entschieden anders herum.
    Es folgten Hausverbote und Unterlassungsklagen mit Androhung von Geldstrafen bis zu einer halben Million. Die große Orgel der Rechtsverdreher kam bis zum Prozeß im Oktober 1985 immer besser in Schwung. Edelfedern von »Zeit« und »Spiegel« wurden plötzlich gegen ihren Willen zu Angestellten unserer PR-Maschine, weil sie sich wie alle anderen auf den Prozeß stürzten. Da mußten viele erstmal Nachhilfe bekommen, wer und was eigentlich die Hosen sind. Unseren großen EMI-Deal aber betraf das sowieso nicht mehr. Der war schon im Sommer 1984 beendet.
    Schuld hatte die Heino-Affäre, aber nicht nur sie. Eine letzte Inspiration zur Trennung war auch eine Spesenabrechnung, die wir nach den Aufnahmen zur Radio-Session mit dem legendären BBC-ModeratorJohn Peel Mitte Juli bei der Firma einreichten. John hatte unsere Musik in England als erster gespielt, wie er so

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