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Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Titel: Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Toten Hosen
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danken.« (ebd.)
    Wir wollten nie in den Härteste-Truppe-des-Kontinents-Wettbewerb einsteigen, wo Bands wie Exploited oder Discharge sich abmühten; soviel stand fest. Daß man uns jetzt aber für fünf fröhliche Nullen hielt, die sich »erst gar nicht die Mühe geben, ihren Dilletantismus zu verbergen« und aus dem Grunde »sympathisch« sind, wie es im gleichen Stadtmagazin hieß - das war schon wieder eine andere Katastrophe. »Dilettanten« (so schreibt man es richtig) waren wir nur in dem Sinn, daß wir erst am Anfang standen und nicht Vorgaben, toll zu sein. Von diesem Punkt der Ehrlichkeit wollten wir aber zu einer gekonnten Version von uns selbst gelangen. Das lief nicht über fröhliches Vergölzen ab, sondern über zähen Kampf mit den Beschränkungen, die durchschnittliche Begabung und chronische Existenznöte uns auferlegten. Wir weigerten uns also nicht, besser zu werden; wir brauchten nur so lange dafür, daß es eine Zeitlang vielleicht so ausgesehen hat.
    Und wenn es überhaupt jemals einen wirklich passenden Augenblick dafür gab, Punkrock zu machen, war es genau dieses Jahr 1982, als jeder Torfkopf sich plötzlich in Schale schmiß und seinen Arsch zu Duran Duran und Haircut 100 oder Grandmaster Flash kreisen ließ. Da wurde das für uns auf einmal so wertvoll wie Klosterfrau Melissengeist. »Wehende Fahnen«, unser Lied zur Lage aus dieser Zeit, verlieh dieser Haltung Ausdruck:
    »Mit wehenden Fahnen werden wir untergeh’n Wir halten durch, wir warten noch Denn es ist noch nichtsgescheh’n ...«
    In die Hallen, die Duran Duran füllten, kamen wir aber erstmal nicht. Und »Geld« gab es meistens nur in Form von Summen, die wir anderen schuldeten. Als wir im Herbst 1982 zu unserer ersten Hosen-Tournee aufbrachen, waren wir im Grunde schon pleite, bevor es richtig losging. Auf dem ersten Gig gingen gleich fünf Mikrofone und zwei Boxen zu Bruch. Später explodierte die Gesangsanlage; es gab während des Konzerts eine große Stichflamme, und hin war das Eigentum. Immer wieder mußten Anlagenteile von anderen Bands gepumpt werden, und die gingen dann oft auch noch zu Bruch. Das war zu einem großen Teil der Flurschaden von Walter, der auf der Bühne in alles reinsprang, was teuer war. Niemand konnte damals Vorhersagen, wie lange ein Konzert mit den Hosen dauern würde. Das konnte eine Stunde sein oder auch nur eine Viertelstunde, je nach Walter. Wenn wir am Ende eines Konzerts über die PA anfragten, ob jemand einen Schlafplatz für uns wüßte, hagelte es nicht gerade Angebote.
    Drunten in Erding haben sie uns auf der Tour einmal im Büro eines Jugendzentrums über Nacht eingeschlossen. Sie wollten uns schon irgendwie Unterkommen lassen, hatten aber Angst, wir könnten sie dort beklauen und in der Nacht verschwinden. Am nächsten Tag aber erinnerte sich keiner mehr an uns; wir mußten uns aus dem dritten Stock abseilen, ' um von dem Kaff wegzukommen. Soviel zum Thema »Quartiere für fünf Punkrocker in Jugendzentren«. In Berlin, wo wir in einer Nacht in sechs verschiedenen Clubs spielten, endeten wir im Schlafzimmer eines gewissen Mike Koppermann. Der Inhaber des »Chaos«, einer Kneipe, die später von einer militanten »Bürgerwehr« gestürmt wurde, hatte nachts nach dem Gig noch eine Runde Hardcore-Fußball mit uns gespielt: Türen abschließen, und dann rennen und in alles reintreten, was sich bewegt. Am Morgen entdeckte Andi, daß das harte Ding unter seinem Kopfkissen Mikes Knarre war.
    Heute spielt heute Mike mit niemand mehr Hardcore-Fuß-ball. Eines Tages wurde er unter ominösen Umständen in Berlin tot aufgefunden.
    Es gab keine Hotels während dieser Tournee und keinen Bandbus. Sämtliche Strecken zwischen den Auftrittsorten legten wir in mehreren alten PKWs zurück - wie die Jugendabteilung des SV Garath, die ihre Schülermannschaft zum Auswärtsspiel kutschiert. Ich weiß noch, daß einer, Till, mit seinem umgespritzten Leichenwagen ein paar von uns mitnehmen sollte, aber immer zu spät kam - er fuhr die ganze Tour hinter uns her, ohne uns einmal einzuholen. Es gab keinen Road-Manager und keine Roadies, es gab nichts.
    Gagen? In Krefeld bekamen wir fünfzig Mark »Aufwandsentschädigung« dafür, im »Haus Blumenthal« das Vorprogramm zu Abwärts gespielt zu haben. In Osnabrück konfiszierte Jochen zwei Flaschen Whiskey als Ersatz für die zwei Hunderter, die der Geizhals von Hippie-Veranstalter nicht rausrücken mochte. Der Kerl wollte uns weismachen, daß unser geballtes Chaos

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