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Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Titel: Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Toten Hosen
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auf und vor der Bühne gar kein richtiges Konzert gewesen sei. Keine Ahnung von Punkrock! In Hamburg-Harburg dagegen durften wir tausend Mark unter uns aufteilen; das blieb bis zum Ende der einsame und unangefochtene Rekord der Tour.
    Berühmt waren wir hinterher auch nicht. Es herrschte oft eine seltsame Stimmung im Publikum, eine unterschwellige Mischung aus Aggression und Angst. Keiner wollte bei uns in der ersten Reihe stehen, doch dieser Respekt konnte auch jederzeit kippen. Dabei waren wir an guten Tagen immer noch für eine Einlage gut. Im Hamburger »Versuchsfeld« tauschten wir während des Gigs die Hosen miteinander, das war ein Volltreffer. Woanders kam der Laden mit meinem Salto vorwärts von der Bühne in Schwung. Nicht selten fehlte aber jegliche Ahnung im Publikum, auf wen oder was man sich da eingelassen hatte. So wurden wir in Kassel mit etwa zwanzig Zuhörern konfrontiert, die sich zur Steigerung des Hörgenusses auf Stühlen niedergelassen hatten. Keiner von denen murrte, als wir uns dann auch Stühle besorgten und im Sitzen spielten.
    Wenigstens zum Abschluß des Ganzen wurde es dann aber brillant. In Düsseldorf organisierten wir für unsere Fans einen kompletten Tag mit Shuttle-Service und Spaß in drei Stufen. Nachmittags um fünf ging’s auf die Oberkasseler Rheinwiesen zum Kicken, dann wurde mit Hilfe eines Generators unter der Brücke live gespielt, denn kein Laden in der Stadt wollte uns haben. Und schließlich ging es ab Mitternacht im Jochen-Shuttle zum »Aratta« nach Moers, wo noch einmal wir und zusätzlich Isis Panhandle Alks spielten.
    Derjochen-Shuttle war ein Neunsitzer von Mercedes, der gerade Malaria aus Wien hochgebracht hatte, und er funktionierte ausgezeichnet. Immer wieder fuhr unser Manager in der Nacht hin und her, um alle Opfer unserer Promo-Tour von Moers nach Hause zu bringen. Etwa um fünf war er damit fertig. Noch heute gilt: Wer immer in Düsseldorf hängenbleibt und nach Moers will, sollte wirklich Jochen fragen.
    Solche Aktionen ersetzten bei uns große Anzeigen und Kampagnen, für die es keine Mittel gab. Das war wohl das Beste, was wir aus Versehen getan haben. Wir kreuzten einfach irgendwo auf und lieferten »full service« für alle, die wie wir eine Sehnsucht nach Lärm, Leuten und bei Gelegenheit noch Fußball hatten. Dabei setzte sich allmählich die gewaltigste Werbemaschinerie in Gang, die man finden kann - die Kette der Tausenden von Leuten, die etwas, das sie witzig gefunden haben, ein paar anderen weitererzählen. Und dann kam der Nachbrenner, dann kam »Bommerlunder«.
    Die Idee zum Cover unserer dritten Single sollte in einem Feriendorf im Sauerland zu uns herabsteigen, das mit seinen Blockhütten und einem Aufseher namens »Winnetou« ganz im Wildwest-Stil aufgezogen war. Das jedenfalls war das Ziel, mit dem wir uns nach der ersten Tournee für ein Wochenende in diese Pierre-Brice-Phantasie zurückzogen, die Trini aufgetan hatte. Immer wenn uns etwas Besonderes einfallen sollte, fuhren wir für ein paar Tage zusammen weg, fingen an zu trinken und zu toben - und kriegten keine Einfälle. So war das auch in einer dieser Blockhütten in Machtlos. Drei Tage lang aßen wir Kuddels Spaghetti, hockten über ein paar Kästen Bier zusammen und spielten etwas, das wir »Fußball« nannten: Jede offene Bierflasche war für jeden zugänglich; wer eine leer machte, hatte ein »Tor« verbucht. So wurden wir besoffen statt fündig und saßen schon in unserem grauen Opel Richtung Düsseldorf- als einer auf den Dreh kam, den Covern echte Flachmänner mit dem Zeug beizulegen.
    Die Werbeagentur von Bommerlunder schickte tatsächlich gleich tausend Stück davon, die wir in Heimarbeit auf Trinis Fabriketage eintaschten (sorry für ein paar Wasserfüllungen, aber Arbeit macht Durst!). Die hielten das - im Unterschied zum Schnapsbrenner-Unternehmen selbst, das die Aktion stoppte - für einen guten Werbegag. Wir aber sahen das gar nicht als Werbeaktion, weder für .uns noch für die Firma. Wir hatten einfach Spaß daran, so einen Blödsinn ernsthaft durchzuziehen. Daß es dann so gut klappte mit dem Absatz unserer Single, daß bei uns überhaupt mal etwas klappte -Teufel auch, das konnte niemand voraussehen. Und daß sich durch unsere Spaßnummer auf einmal ganze Heerscharen von Prolls und allen möglichen Säufern plötzlich wie Waffenbrüder der Punks fühlten, das hätte ich trotz des guten Umsatzes unserer Platte gerne verhindert.
    Das wäre aber wieder der Türsteher

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