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Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Titel: Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Toten Hosen
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Produktionsgesellschaft hergefallen und hatten uns dort genommen, was wir brauchten. Kann auch sein, daß mal ein Stuhl dabei umgekippt ist, ein Tisch oder ein Regieassistent - wofür ist man schließlich Künstler?
    Die Formel-i-Crew machte darum aber einen Aufstand, als hätte sie den Antichrist leibhaftig erlebt. Diese Erfahrung sollte sich dann im Bereich »Fernsehen« noch ein paar Mal, oder genauer gesagt ständig wiederholen: Man lädt fünf üble Punkrocker ein, um Schwung und Pep in den eigenen Laden zu kriegen, und weint dann über drei zersprungene Teller.
    Beim zweiten Formel-i-Auftritt wurden wir dann am Sendetag aus Düsseldorf eingeflogen - man wollte wohl verhindern, daß wir wieder von irgendwoher ein paar Leute mitbrachten.
    Es war nicht unsere Idee, daß wir üble Gesellen abgeben müssen, noch nie. Das war eher die Phantasie der Gegenseite. Wie oft sind wir etwa, ohne etwas Böses zu ahnen oder vorzuhaben, zu einer Sendung angerückt, wo uns ein ungewaschener Kerl in einer abgeschabten Motorradlederjacke - der Regisseur! - freudestrahlend erzählte, man habe für uns schon eine total geile Kulisse aufgebaut - und dann blickten wir wieder einmal auf eine Batterie Mülltonnen, aus denen heraus es brennen sollte oder irgendwas. Es war manchmal zum Verzweifeln.
    Nur konsequent eigentlich, daß wir im März '84 mit Gaststar Kurt Raab und »Kriminaltango« im Conny Plank Studio die Bösewichtbilder neu vertonten, die sich über Jahrzehnte hinweg nicht geändert hatten. »Dunkle Gestalten in der Taverne«, huhu, das waren wir für andere wahrscheinlich auch. Dabei waren wir nicht einmal richtig schlimm.
    Als aufsichtsführende Begleitperson, der den anderen zehn Lebensjahre und einige Sozialarbeiter-Erfahrungen voraus hatte, muß ich sagen: Für jeden Polizeiinspektor der mittleren Laufbahn wären unsere »kriminellen Energien« eine Beleidigung gewesen.
    Natürlich gab es diese Phase, als wir aus Restaurants und Kneipen türmten, ohne zu bezahlen; als wir unterwegs mitgehen ließen, was immer unter einejacke paßte. Aber war das Revolution, soziale Notwehr? »Brauchten« wir die Porno-Hefte, die wir an dieser österreichischen Tankstelle klauten? Brauchten wir den Fußballpokal, den wir nach diesem verlorenen Turnier in Freiburg einsackten, wo wir die ersten zwei Spiele mit grottenhaft ungeschickten Ersatzspielern auskom-men mußten? Das alles und mehr hatte wenig mit nackter Existenznot zu tun oder mit einem grundlegenden Protest gegen die Idee des Privateigentums. Es war einfach dieses geile Gefühl, wenn du dir etwas nimmst und damit abhaust -und irgendeiner rennt dir vielleicht noch hinterher.
    Wie der Besitzer dieser Tankstelle in Österreich, der uns mit seinem Wagen auf der Autobahn einholte. Faust mußte diesem besitzfixierten Tankwart zu seinen Muschi-Alben auch noch einen Hundertmarkschein geben, damit er keine Anzeige machte (gut, daß ihm die Sonnenbrillen in unserer Karre nicht aufgefallen sind). Der Kerl verstand uns einfach nicht: Wir suchten gar keine Dinge oder Delikte, sondern das Chaos, das damit verbunden ist. Wenn wirklich mal etwas passierte, geschah das oft ungewollt oder aus dem Suff heraus. Du kommst nachts abgefüllt ins Hotel zurück und starrst auf einen leuchtend-blauen Swimming-Pool - ja, was macht man dann wohl? Du heißt Bollock und wirfst im Torkelgang ein paar Mülltonnen um, während auf der Straße gerade eine Bullenstreife steht - wo verbringst du dann wohl die Nacht?
    Die Auslöse für ihn war übrigens billiger als das Hotelzimmer, weshalb kurzfristig die Idee zu einer ständigen Einsparung bei den Übernachtungskosten entstand...
    Oder man drängte uns geradewegs in die Illegalität. Irgendwo in Süddeutschland sahen Campi und ich mal ein super Kochbuch im Laden von so einem Bücherclub, das uns die Tusse an der Kasse einfach nicht verkaufen wollte. Wir müßten dafür so einen komischen Club-Ausweis haben, sagte sie. Ich sagte ihr, daß wir das Buch so oder so mitnehmen würden und sie unser Geld besser nehmen sollte. Als sie wieder von dem Ausweis anfing, verschwanden wir mit dem Buch und dem Geld.
    »Du kannst klauen und doch eine Ethik haben«, hat Campi öfter gesagt. »Du mußt nur sehen, wem du’s nimmst.« Er meinte natürlich die großen Kaufhäuser, die Ketten und Konzerne. Für diese Kunden hatte er sich sogar tiefere Taschen in einen Mantel nähen lassen. Manchmal traf es aber auch den falschen. In Biel haben wir einmal im Vollrausch einen Wagen

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