Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte
Primanertagen, waren jetzt beide wieder nur noch am Wochenende oder während einiger Urlaubstage reisefähig. Gerade jetzt, wo wir langsam ein bißchen in Mode kamen, war das ein ziemlicher Knüppel in den Speichen. Außerdem lebten die beiden jetzt in zwei völlig verschiede
ne nen Welten, von denen sie oft nicht wußten, welche sie kranker finden sollten. Wer acht Stunden am Tag achtzig Patienten betreut, die sich im Grunde alle natürlicher geben als ein durchschnittlicher A+R-Manager einer Plattenfirma, der beginnt ziemlich bald an einer festen Grenze zwischen »normal« und »unnormal« zu zweifeln.
Warum müssen die einen sich für fünfzig Pfennig in der Stunde abmühen, fünfundzwanzig Klebestifte in eine Pak-kung zu quetschen, während die anderen ihre Füße auf einen Schreibtisch legen dürfen, um aus hundert Musikkassetten willkürlich den nächsten Rohrkrepierer für ihr Label auszuwählen? Es war nicht »normal«, wie sich einige EMI-Häupt-linge wegen des Heino-Zoffs uns gegenüber aufführten, und es war auch nicht »normal«, nach welchen Kriterien man uns 1984 für eine WDR-Abendsendung auswählte. Im entscheidenden Augenblick hing alles an zwei Gramm Koks, die wir einem redaktionellen Vorschmecker rüberschieben mußten. Mit Koks fand er uns interessant und empfehlenswert, ohne nicht. Total verrückt, aber völlig »normal« in diesem Geschäft, wie wir noch einige Male bemerken sollten.
In dieser Zeit durften wir dann auch mit »unserem« Heino zwischen Ingrid van Bergen und Astor Piazzolla in »Bei Bio« auflaufen. Das war für manche unbescholtene Bürger schon eine mittelharte Packung. »Wenn ein >Scheißladen< in der Maske Heino uns >Tote Hosen< präsentiert und bereits im Entree der persönliche Hinweis über die sexuelle Einstellung des Herrn Biolek nicht fehlt, scheint das Niveau der Sendung gewahrt«, hieß es in einem Leserbrief an das Hamburger Abendblatt. Und weiter: »Privatfernsehen - Hilfe wo bleibst du?« (gez. Eimo Hinrichs, Halstenbek)
Zweimal noch sollte es uns in den nächsten Jahren gelingen, in eine Sendung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens einzudringen. Beide Male mußten wir mit Tricks nachhelfen. Es gab einen Kontakt zu den Machern der Musik-Comedy-Sendung »Bananas«, die überlegten, ob sie unsere Truppe ihrem Beste-Sendezeit-Publikum zumuten könnte. Bisher war die Abteilung »Bißchen böser Humor« allein von Frank Zander verwaltet worden. Es wurde abgewogen und palavert, aber nichts passierte. Schließlich fuhren wir ohne Einladung direkt an den Produktionsort der Sendung in Österreich und taten so, als wären wir bestellt. Niemand blickte so richtig durch, ob das so war oder nicht, aber Regisseur Rolf Spinnrads versuchte schon mal, uns in einen Gag einzubauen. Es klappte nur leider nicht richtig, aus irgendeinem Grund. Inzwischen aber fühlten sich alle so schlecht, daß man uns einen Auftritt in einer der nächsten Sendungen versprach. Das geschah dann auch.
Das zweite Mal ging es darum, in eine - von einem Norddeutschen Sender ausgestrahlte - Sendung zu kommen, wo einer der großen alten Männer des Fernseh-Pops Regie führte. Der normale Amtsweg sah vor, daß man diesen als Regisseur für sein nächstes Musikvideo anheuerte, als teuren Regisseur natürlich, und dann wartete, bis er einen für seine Sendung interessant fand. Es hieß, daß er einen dann sehr schnell interessant fand. Jochen machte also den »Sonderetat« klar, den es für alle Notfälle des Geschäfts gab - glatte zwanzigtausend Mark. Dieses Geld wurde dem alten Mann für eine Video-Produktion versprochen, die dann natürlich nie zustande kam. Zustande kam dafür unser Auftritt in besagter Show. Das nächste Video aber drehten wir mit einem anständigen Regisseur, vor dem man noch Respekt haben konnte.
Das war das Video zu »Unter falscher Flagge«, der zweiten Hosen-LP. Auf dem Cover sah man ein Hundeskelett vor dem Grammophon, weswegen es schon wieder Ärger mit der EMI gab. Auch das glasklar ein neuer Höhepunkt unseres juristischen Wirkens: Zum ersten Mal schafften wir es, Ärger mit einer Plattenfirma zu kriegen, bei der wir gar nicht mehr unter Vertrag waren. Und wieder hatten wir so gut wie keine Schuld daran.
Aber das ist erst recht eine Scheiß-Geschichte, zu der ich jetzt keine Lust mehr habe. Sie hat überhaupt nichts von dem, was die Leute wirklich lesen wollen. Soll doch ein anderer den ganzen Scheiß aufwärmen.
Trini Trimpop hat seinen Trainerstuhl mittlerweile
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