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Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Titel: Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Toten Hosen
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und Stylistin verpflichtet, uns in Rüschenhemden im Düsseldorfer Tanzsaal »Weindorf« abzulichten - es blieb eine leblose, erstarrte Nummer. Zu unserer eigenen Überraschung wurde das Ding von der Kritik aber nicht niedergemacht. Im Gegenteil: »Musik Exp ress/Sounds« lobte in getragenen Worten das »bewährte, aber beileibe nicht langweilige Grundmuster« und entdeckte »viel Sinn für klangliche Details«. Wir bekamen die aus meiner Schulzeit so vertraute satte »Fünf« - das war aber im sechsteiligen Bewertungsschema der Zeitschrift das Vorzimmer zum Rock’n’Roll-Himmel. Unsere haßgeliebten Freunde von »Spex« moserten wegen des »Altbierlieds« wie immer über die »scheinbar unvermeidlichen Bundeswehr-Karnevals-Sauflieder« - tranken die in Köln nur Löwenzahn-Tee? Davon ab aber wurde gewürdigt, daß wir trotz Besserwerdens als riskantem Punkrocker-Weg nicht angepasster geworden wären, oder so ähnlich; wir hätten nur »das Terrain ausgebaut«.
    Wunderbar. Dank des dicken Sympathie-Bonus’ bei der schreibenden Klasse waren wir noch mal davongekommen. Und auf der Tournee konnten wir den aalglatten Sound der Platte nachträglich in ein paar Dutzend Städten live korrigieren. Laut und vernehmlich. Es wurde die erste Tour einer deutschen Band, die von einem Industrie-Unternehmen gesponsert wurde - von Fromms, dem Gummiwarenhersteller aus Hamburg. Fromms wurde sozusagen unser offizieller Tour-Ausstatter. Wo immer wir spielten, wurden die Standard-Prä-ser - keine Noppen, keine Geschmacksrichtungen - unter’s Volk gestreut. Wir tüteten die Pariser eigenhändig ein und pieksten in jeden fünfzigsten ein Loch - ein bißchen Spannung muß immer bleiben. Wer sollte schließlich unsere Musik in zwanzig Jahren kaufen? Es war die flankierende Maßnahme zu unserem Orgienaufruf »Hofgarten«, den wir schon länger im Programm hatten. Dem heimlichen Bestseller, der niemals als Single erschien. Das wurde, Jahrzehnte nach Beate Uhse und Oswald Kolle, plötzlich wieder ein Problem.
    Wir ließen T-Shirts mit dem Liedanfang »Ficken/Bumsen/ Blasen« drucken und schalteten mit Virgin-Kohle große Anzeigen aus diesen drei Wörtern für unsere LP. Daraufhin wollten andere Firmen ihre Anzeigen zurückziehen, wenn unsere FBB-Nummer in der gleichen Zeitschrift erscheinen sollte - und das führte wiederum dazu, daß Jochen Auftrag und Vorlage zu der Anzeige immer erst im allerletzten Moment abgab, wo in der allgemeinen Redaktionshektik nicht mehr so genau geprüft wurde. Es war schon urkomisch: Die gleichen Leute, die mit Sex ihre Kack-Produkte garnieren -»Lust auf Eis«, »Heiß auf Käse« -, zeigten sich plötzlich zickig, weil es nur um Sex ging. Toastbrote und Kopfhörer und Strumpfhosen und Margarine und Brillen sollen die Leute geil finden, ihr eigenes Geilsein aber nicht. Sie sollen ständig ans Bumsen und Blasen denken, während sie Eispackungen öffnen und sich Brillengestelle auf die Nasen setzen, nur tun sollen sie es nicht. Oder erst danach, oder so. Sehr seltsam.
    Zwischen den Auftritten müssen wir Stunden damit verbracht haben, die Gratis-Gummis für das nächste Konzert einzupacken. Es waren immer etwa vierhundert pro Gig; das erforderte dermaßen stumpfe Heimarbeit, daß auch wir abends oft nicht mehr an FBB denken wollten. Aber es gab noch genügend Knüller auf unserem Weg. In Freiburg gewannen wir den Schwarzwaldpokal bei einem Fußballturnier, das heißt: Trini und die anderen nahmen das Ding einfach an sich, weil sie sich für die beste Mannschaft hielten, und fuhren los. Im Berliner Tempodrom spielten wir auf der großen Abschiedsveranstaltung des wahren Heino, zusammen mit neunzehn weiteren Punkbands. Wir spielten alle ohne Gage, denn was an diesem Abend in die Kasse kam, sollte unserem Heino gehören. Dem wahren, der gegen den anderen namens Kramm vor Gericht verloren hatte und nun für die Kosten, ca. 15.000 Mark, aufkommen mußte.
    Die Prozeßwelle, mit der Heinos Anwalt den guten Norbert ab 1985 überzog, war in diesem Herbst an ein Ende gekommen. Imjahr zuvor waren wir alle mit Heino-Perücken und Sonnenbrillen zum Prozeßtermin am Oberlandesgericht Bonn erschienen, lauter wahre Heinos. Nun hatte man entschieden: Norbert durfte auf der Bühne weiterhin machen, was immer er wollte, er durfte nur nicht mit Heinos Namen werben - die zehntausend Mark für sein bisheriges »Vergehen« saß er 1988 in vier Wochen lächelnd auf einer Backe ab. Also wenigstens ein Teilsieg für die Freiheit von

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