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Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Titel: Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Toten Hosen
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Tag meines Lebens nahm ich nach Neujahr ’82 eine entfremdete Arbeit an: Ich half bei der Inventur in einem Supermarkt. Bei der Löhnung haben sie mich so beschissen, daß ich nie wieder einen zweiten Versuch unternommen habe, auf anständige Weise zu Geld zu kommen. Es mußte die Musik sein, ganz klar.
    Die Band, die wir gründeten, hieß Pravda. Ein Freund aus meiner Klasse war dabei, dann ein Schlagzeuger, der schon bei Male und Freunde der Nacht getrommelt hatte, und noch ein Vierter. Die Wahrheit war aber, daß in der Band mehr tolle Pläne gemacht wurden als tolle Stücke, und ziemlich bald verlief das Ganze im Sand. Daneben hatte ich mit Campi bald nach Gründung der Hosen drei neue Stücke gemacht, die wir in Berlin für ein Gemeinschaftsprojekt von Punkbands namens »Vollrausch in Stereo« einspielten. Diese Stücke - »Frühstückskorn«, »Bis zum bitteren Ende« und »Der kleine Häwelmann« - veröffentlichten wir unter dem Namen »Die Tango-Brüder«. Aber schon lange vorher hatte mich Campi eines Abends in Düsseldorf angerufen und etwas von einer neuen Band erzählt. Da wußte ich, daß dies wieder so ein entscheidender Anruf war.
    Es gab nicht diesen Gedanken »Das ist die große Chance meines Lebens« oder etwas ähnlich Blödes. Ich wollte bloß wieder Musik machen, in einer Band sein. Campi und Trini, wir alle wollten das. Das war unsere beste Waffe in diesen erstenjahren, als an Kohle tatsächlich null herausgesprungen ist - bzw. 35.000 Mark Schulden bis 1985, um genau zu sein. Man stellt sich vielleicht vor, daß da fünfTypen hungern und vor Kälte zittern und immer den Musikmarkt im Auge haben, um ja nicht den Moment zu verpassen, wenn ihre Platte in den Charts auftaucht und sich ihr armseliges Leben plötzlich in einen großen Dollarregen verwandelt. Aber wir haben nicht gewartet. Wir haben einfach weitergemacht, egal wo wir damit hinkommen würden.
    Es ging uns nie schlecht. Das Geld für die nächste Tankfüllung, den nächsten Kasten Bier und den Kartoffelsalat an der Raststätte war immer da. Alles, was Spaß macht, liegt ja noch unter fünfzig Mark. Und kurz vor dem Abgrund sprang noch immer ein kleiner Engel bei uns auf. Einmal war es die Gage für den dämlichen Formel-i-Film, ein anderes Mal ein ziemlich großer Deal mit einem Musikverlag. Heute würden wir »Schweinepakt« sagen, wenn wir an die Summe denken, mit der uns Ralph Siegel damals köderte. Aber damals war er der einzige, der uns überhaupt ein Angebot machte. Ein Verleger-Arsch mit Flügeln ist genauso gut wie ein richtiger Engel, wenn du gerade überlegen mußt, ob du deine Gesangsanlage verkaufst, um flüssig zu bleiben.
    Der Deppen-Vertrag mit Siegel lief fünf Jahre lang, dann warfenJochen und Trini mit ihm Münzen, um die Eigentumsfrage an unserem Liedgut zu klären. Wer die Rechte an welchen Songs haben würde, wurde so verbindlich festgelegt. Auf diese Weise verloren wir zum Beispiel die Rechte an »Hier kommt Alex«, von dem Siegel wohl heute noch seine Restaurant-Rechnungen bestreiten kann.
    Ich mußte mich auch nicht kümmern, wie ich um die Bundeswehr herumkomme oder wo ich einen Platz als Zivildienstler bekomme. Ich ging zur Musterung und zeigte denen meinen Gummiarm; den kann ich in einem ganz verrückten Winkel hinter den Rücken legen. Als die Ärzte diese Vorstellung mitbekamen, sagten sie, ich solle mich wieder anziehen und nach Hause gehen. Es war schon komisch: Du federst da kernig aus dem Gebäude raus und kommst an völlig blutarmen, kurzsichtigen Typen mit zwei Glasbausteinen auf der Nase vorbei, und im Unterschied zu dir werden diese bemitleidenswerten Kreaturen alle eingezogen.
    Es ist wohl mein Talent, daß ich mich immer erfolgreich um alles drücken konnte, was mit Musik nichts zu tun hatte. Ich werde mich immer für Wölli, Andi und die anderen prügeln, wenn es sein muß - wie auch sie mir in Zürich und anderswo geholfen haben. Aber für den Staat den Kopf hin-halten? Da bin ich lieber Verpisser, wie übrigens zwei Drittel der Band. Bis auf Trini und Campi, die bei der Bundeswehr begannen und sich schnell auf die andere Seite schlugen, waren wir alle entweder zu ungesund, zu schnell in Berlin oder einfach zu unverdaulich.
    Trini muß eine super Drogenschädel-Performance in der Kaserne abgeliefert haben, die seine Vorgesetzten davon überzeugte, daß dieser Kerl wirklich nicht zu gebrauchen ist. Er setzte aber noch durch, daß er an seinem letzten Tag einmal mit dem Panzer über den Hof

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