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Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Titel: Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Toten Hosen
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fahren durfte. Das nenne ich einen Abgang mit Stil!
    Wir sind eben tote Hosen, durch und durch. Von uns hat man nichts zu erwarten - außer anderthalb Stunden Lalla in voller Dröhnung und etwa alle zwei Jahre eine neue LP. Bevor wir auf die bittere Wahrheit stoßen, daß wir außer dem sowieso nichts können, machen wir lieber weiter, solange es geht.
    Woher aber nach Trinis Abgang einen neuen Schlagzeuger nehmen, ein neues Familienmitglied? Der Nachfolger mußte Anforderungen standhalten, wie sie bei der härtesten Landkommune nicht schlimmer sein können, wenn sie einen Nachmieter für ein freies Zimmer aussucht. Professionell sollte er sein und sympathisch, ehrgeizig und unverkrampft; er sollte sich hauen können und nach der siebten Dose Carlsberg nicht gleich nach hinten fallen - er sollte eben einfach so sein wie Wölli, den wir im Januar ’86 zunächst auf ein Jahr zur Probe heuerten, und den wir seitdem nicht los geworden sind.
    Wölli spielte damals bei den Suurbiers, einer weiteren Punk-Kapelle aus Berlin. Ein richtiger Schlagzeuger, der seine Drums mit dieser gewissen Lockerheit regierte. Durch seinen Altersvorsprung konnte er auch die freigewordene Stelle des Bandseniors ebenso ausfüllen wie Trini (und zuvor Fabsi bei ZK). Campi hielt es dazu für ein gutes Zeichen, daß er jahrelang mit seiner älteren Schwester Beate zusammen gewesen war. Nach dem Roskilde-Festival und Wöllis Beinbruch hatten wir auch mal einen Düsseldorfer Kumpel namens Jakob Keusen dabei, der uns ab da immer wieder mal aushalf. Jakob war ein begnadeter Techniker, der sich unser ganzes Programm in einer einzigen Nacht einverleibt hatte, aber leider sollte er nicht mehr lange spielen: Eines Tages erstach ihn ein neurotischer Nachbar auf der Hansaallee in Oberkassel aus Wut über den Lärm, den Jakob beim Üben machte. Es war tragisch für alle, außer für die Boulevardblättern, die ein paar Tage lang mal wieder fettere Schlagzeilen drucken konnten (»Hosen-Drummer ermordet...«)
    Wöllis erste Bewährungsprobe kam im Mai ’86, als wir für unser drittes Album ins Studio gingen. Das berühmte, gefürchtete, sagenumwobene dritte Album, bei dem eine Band zeigen muß, in welche Richtung es weitergehen soll - es traf uns genau zu dem Zeitpunkt, als wir hauptsächlich unser Level hielten, schon wegen der vielen Auftritte. Als wir überhaupt keinen Schimmer hatten von einer zukünftigen Richtung, geschweige denn ein Dutzend ordentlicher Song-Ideen. Wir hatten keine richtigen Ideen, und wir hatten erst recht kein Geld, standen kurz vor der definitiven Pleite. Viel gelobt, wenig verkauft. Aus der Plattenfirma in München kamen keine Vorschüsse mehr, nur noch Unmut und Druck. Es war Krampf, von Anfang an.
    Und es sollte doch so eine schöne Platte werden. Wir hatten zum ersten Mal richtige Demos eingespielt vor den Aufnahmen, wir hatten mit der »Klangwerkstatt« in Düsseldorf ein gutes Studio, und wir hatten genügend Zeit.Jochen und Trini, der inzwischen auf der Trainerbank saß, und dann auch ich übten ziemlichen Druck auf den Rest aus, jetzt wirklich gut und sauber zu klingen. Selbst Campi, der Unbeugsame, nahm sich plötzlich zusammen, statt seiner Brüllerei richtig zu singen. Aber es brachte nichts: Als wir nach vier Wochen das Studio verließen, hatten wir das rauhe Demo-Material kaputtgebügelt. Was wir in Händen hielten, war fast nur wohlgefällige, ordentliche, glatte Pop-Kacke - auch wenn mit »Wort zum Sonntag« und »Freitag der 13.« mindestens zwei Highlights drauf sind. Und der Titel, »Damenwahl«, roch genauso.
    Es war eine Konzeptidee ohne Konzept und Inhalt. Wir starteten eine fünftägige Promo-Tour durch die Radiostationen, auf der wir so ein bescheuertes Set verteilten: ein Stück Seife, ein Kondom und ein Parfüm - genauso sollte es dann auf den Konzerten laufen. Wir stellten Wölli, die neue Hose, als Vögelstimmen-Imitator aus Berlin vor. Beides war ein kleines bißchen lustig, aber es stand überhaupt nicht zu dem in Verbindung, was auf der Platte passierte. Es war verkrampft und ohne Durchschlagskraft.
    Nur beim Verteilen von Kondomen lagen wir damals um mehrere Bootslängen vor der politischen Süssmuth-Correct-ness. Man hatte noch keine Präser auf der Ablage im Bad, sondern verstaute die Dinger noch in Schubläden und geschlossenen Behältern.
    »Damenwahl« erschien im Herbst ’86, das glatte Cover passend zu dem leicht gelackten Sound. Wir hatten einen richtigen Photographen komplett mit Visagistin

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