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Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Titel: Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Toten Hosen
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Satire und Kunst, nur leider nicht für die Freiheit des Namens »Heino«. Den hatte der gleichnamige Schlagerstar tatsächlich als »Markenzeichen« durchgesetzt, wie sein patriotischer PR-Manager Dieter Mauritz das von Anfang an gehofft hatte: »Der Staat ist doch wohl noch so gefestigt, daß man gegen sowas etwas machen kann« (O-Ton Mauritz in der »Zeit« vom 19.8.85).
    Es war die erste Tournee, auf der wir nicht mehr an jedem Weiher und in allen Kaschemmen spielten. Es war noch nicht die Westfalenhalle in Dortmund, aber schon die »Zeche« in Bochum; nicht die Düsseldorfer Philipshalle, aber das »Tor 3«; nicht die Festhalle in Frankfurt, sondern die »Batschkapp«. Es war, wie Trini und Campino sagen würden, das untere Tabellendrittel der ersten Liga, wo man immer gegen den Wiederabstieg kämpfen muß. Trotzdem vermißten wir nicht die kleinen Auftrittsorte, sondern hielten uns das durch eine zweite Live-Schiene offen - unsere »Magical Mystery Tour«. Der Deal bei diesen Gigs lief so: Nennt uns eine gute Party-Idee und sorgt für Übernachtungsmöglichkeiten, wir kommen dann und spielen gegen Fahrkostenerstattung und Verpflegung.
    Und wir kamen und spielten wirklich, oft zur Verblüffung der Kids, die bei uns angerufen hatten. Wir trugen unsere Mini-Verstärker auf eine Almhütte in Österreich, wo wir mit dem Saft aus einem Generator vor zwei angereisten Fans und zwei Zufallsgästen spielten, die gerne ihre Ruhe gehabt hätten - auf dem Weg hoch hatten wir uns verlaufen, und der Kameramann des österreichischen Fernsehteams, das uns begleitete, war komplett mit Kamera hingeknallt. Wir trugen sie an Christi Himmelfahrt ins Klassenzimmer der 8a am Klosterinternat der Englischen Fräulein in Altötting, die Schwester Oberin mit dem Camcorder im Anschlag, trugen sie in Partykeller, Garagen und Gartenhäuschen. Und einmal trugen wir sie, ohne es vorher zu wissen, auch ins Wohnzimmer eines niedersächsischen Ministerpräsidenten - unter Legionen von Hirschgeweihen und sonstigen Skalps.
    Wir hatten uns nichts dabei gedacht, als ein Knabe mit Familiennamen »Albrecht« anrief und uns nach Hannover einlud. Erst als wir unseren Transporter vor der Einfahrt parkten und die schlecht versteckten Sucherkameras, das Pförtnerhäuschen und die BGS-Patrouillen entdeckten, kamen wir auf den Trichter. Der Junge wollte sich einfach einen schönen Abend machen, während seine Eltern im Theater oder sonstwo waren; und bis auf diesen bescheuerten Sammelteller ging auch nichts zu Bruch. Nur ein paar Abgeordnete aus Daddys Weinkeller wurden geköpft und alle gemacht, und Wölli hatte aus irgendeinem Grund die Ablage aus dem Badezimmer ins Klo gespült. Außerdem wurde der stumpfe Fußboden mit Bier tanzfähig gemacht. Es war also noch nichts passiert, was jemand veranlassen müßte, uns mit einem Fünfhundertmarkschein zum Verschwinden zu überreden. Aber genau das versuchte Sohnemann Barthold dann plötzlich. Vergeblich, natürlich, denn einmal im Leben wenigstens wollten wir in Betten schlafen, in die auch schon Hans-Dietrich Genscher und Gattin gepupst hatten.
    Am nächsten Morgen brüllte uns ein feuerrotes Gesicht in moosgrüner Jägerkluft an, das war der Landesvater. Er herrschte uns an, wir sollten endlich verschwinden und uns nie mehr auf sein »Ammerländer« setzen, ein in solchen Kreisen wohl sehr beliebtes, exotisches Sitzteil - vor allem Faust nicht. Es war alles in allem nicht gerade die eleganteste Rede des großen Landesvaters, der damit seinen leiblichen Sohn ziemlich alt aussehen ließ.
    Die Obrigkeit hatte weiter einen Pick auf uns. Zweimal während der »Damenwahl«-Tour erteilte man uns Auftrittsverbot. Zum Beispiel auf Helgoland, wo wir vor mehreren Hundertschaften Polizei ein Fußballspiel gewannen und den geplanten anschließenden Gig nach Nordenham verlegten, und in Karlsruhe, verfügt durch einen Stadtratsbeschluß. Wir kamen uns manchmal wie Viehdiebe vor, die beim Eintreffen in Santa Fe von einem Marshall mit hartem Unterkiefer und einer doppelläufigen Flinte aufgehalten werden, nach dem Motto »Nicht in unserer Stadt!«. Aber zwei Verbote pro Jahr war für unsere Verhältnisse keine schlechte Quote.
    Wir waren nie scharf darauf, Verbote und Zensurakte für obszöne Cover, Texte oder dergleichen zu sammeln, um uns interessant zu machen. Wir wollten es immer ohne Innenminister und Polizeipräsident als PR-Fuzzis schaffen. Das Wichtigste hatten wir am Ende der Tour jedenfalls erreicht: Wir hatten live

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