Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte
Fortuna-Mark in den Ticketpreisen für 37 Gigs kamen bis Ende Mai stolze 150.000 Mark zusammen. Das reichte entweder gerade für einen jungen Amateurspieler oder für einen kleinen Teil an einem gestandenen Profi, wenn der Verein selbst noch mal das Siebenfache drauflegte.
Der Fortuna-Vorstand und wir entschieden uns für die zweite, solidere Lösung, denn die Mannschaft stieg im Sommer tatsächlich auf. Man holte neben einigen anderen den ghanesischen Nationalspieler von Fortuna Köln, Tony Baf-foe, an dem wir durch unsere Aktion sozusagen Anteile hatten. Uns gehörte das rechte Bein von Baffoe, etwa bis zum Oberschenkel, also ein ganz wichtiger Teil. Und es war ein guter Nebeneffekt, daß wir auf der Tour auch in Köln-Mülheim aufkreuzten. Wir luchsten unseren Freunden vom Dom zuerst eine Mark für unseren Verein ab, dann gingen wir mit dem Geld, das dabei insgesamt rumkam, ausgerechnet bei ihrem Zweitligaclub einkaufen. Viele Fans in der Mülheimer Stadthalle pfiffen, als wir ihnen die Fortuna-Mark auf den Tik-kets über Mikro ansagten, und übrigens nicht nur dort.
Das Prinzip ist ja ausbaufähig: mit dem Tombola-Erlös vom Gartenfest des Kanzleramts die Chaos-Tage in Hannover organisieren usw.
Überall gab es Auswärtssiege, (fast) überall passierte was. In Wien nahmen Hosen-Fans die Straßenbahnen auseinander, setzten einzelne Waggons in Brand. Nicht so gut: Wir durften von da an erstmal nicht mehr in österreichischen Hallen auftreten, nur noch in Zelten - es war ja nur ein Hallenverbot. In Böblingen ließen über fünftausend Leute die Sporthalle beinahe platzen, in Dortmund durften wir erstmals in
Mit Anthony Baffoe im Rheinstadion
die Westfalenhalle. Zwar nur die »Halle 3«, aber »Halle 1«, den deutschen Pop-Olymp mit 13.000 Zuschauern, sollten wir ein Jahr darauf auch noch knacken.
Beim Open Air-Festival in Konstanz, dem letzten Gig der Tour, gab es hinter den Kulissen dann noch einen ekligen Kleinkrieg. Weil die von The Cure T-Shirts für fünfundfünfzig Mark pro Stück verkauften, wollte man uns den Merchan-dising-Stand verbieten. Unsere T-Shirts lagen nur bei zwanzig Mark, und anscheinend sollten wir für den günstigen Preis bestraft werden. In solchen Fällen ist es gut, eine berühmte Rockband zu sein, denn du kannst diese Tatsache auch mal als Joker (»Dann treten wir nicht auf!«) ausspielen.
Es ist ein Schweineladen, dieses Geschäft, kaum besser als Plakatier-Kolonne. Was da hintenrum alles abläuft mit Merchandising-Prozenten und Rechten an Druck und Verkauf von Tickets, die sich Partner- und Tochterfirmen der Veranstalter von einem abklemmen wollen, ist zum Teil unglaublich. Du kriegst eher eine unabhängige Pizzeria im Garten eines Cosa-Nostra-Paten durch, als umfassende Autonomie im Popgeschäft. Nicht lachen, es ist so.
Ich habe Patrick im Hörer und ahne schon wieder, worauf es hinausläuft. Unser Büroleiter hat »Zwei, drei wichtige Dinge« entdeckt, die dringend noch abgeklärt werden müssen. »Drin-gend!«, betont er, das heißt in seiner Sprache: Eigentlich noch heute. Der gute Junge, ich könnte ihn manchmal mit dem Panzer überfahren.
Welche Fotos aus der Session mit Gabo sollen wir für das Booklet zur CD nehmen ? Wie paßt Zamis Artwork dazu ? Mit welchen Blättern sollen wir über einen Vorabdruck unseres Buchs verhandeln? Welche Talkshows sind akzeptabel, und muß es immer Campi sein, der seine Rübe hinhält? Seit wir eines fatalen Tages beschlossen haben, alle Dinge nach Möglichkeit selbst zu regeln, rennen wir heute fast täglich ins Büro und prüfen und palavern. Es ist nicht bequem, unabhängig zu sein. Wenn fast alles Chefsache ist und der Chef sechs Leute sind - die Band und Jochen -, bist du zu Überstunden verdammt. Und keiner weiß das besser als Patrick, der uns alle vom Büro aus koordinieren soll und immer wieder daran scheitert, obwohl er uns seit mehr als zehn Jahren kennt.
Seit wann eigentlich genau, Patrick, und überhaupt?
»Es ist eine elend lange Geschichte, wie ich in diesem Büro gelandet bin. 1980 war es die mit der Musik verbundene Rebellion und Aggression, die mich als halbes Kind zum Punk machte. Und diese bestimmte Mentalität: Scheiß auf alle Regeln und mach dein eigenes Ding! Es gehörte damals einfach zum guten Ton, irgendwas auf die Beine zu stellen. Viele gründeten Bands, manchmal jede Woche eine, andere organisierten Konzerte oder sonstige Aktionen. Mein Beitrag wurde ein sogenanntes »Fanzine«, eine kleine Punkzeitung mit
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