Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte
wie.
Ich schnappte mir einen Mini-Verstärker, Modell »Pig Nose«, Kuddel und Breiti ebenso, Wölli nahm sich eine Snare-Drum oder irgendein anderes Schlagzeugteil mit, und Campi brüllte durch ein Megaphon. Dann stellten wir uns vor den Fans ohne Karten auf und improvisierten drei, vier Hosen-Stücke. Wir stiegen dafür auf die Motorhauben und Dächer der Autos vor der Halle, auf Balustraden oder sonstwas. Auch wenn hinterher ein paar Rechnungen für zerbeulte Karosserien ins Büro flatterten, war es eine geile Kurzshow.
Heute faselt jeder Herbert von »Unplugged« und »Roots« und »Low-fi«, wenn er mal von 64 auf 32 Spuren runtergeht.
Aber damals war es noch kein Trend, sich so zu geben. Es war einfach ein Spaß, vor dem offiziellen Gig schon mal eine Kinderportion Hosen-Sound zu verbreiten. Es ist einfach, Musik zu machen, wenn du damit lebst. Da ist immer ein Instrument in der Nähe, und wann immer dir danach ist, machst du ein bißchen Krach. Auf dieser Tour starteten wir komplette Busparties mit Spontan-Konzerten, die manche Auftritte in der Halle an echtem Dampf klar übertrafen. Wir spielten im Bus, vor der Halle, in der Halle, dann wieder im Bus - wir spielten eigentlich immer. Wo sich eine Gelegenheit ergab, nahmen wir sie in den Würgegriff.
Mitte April etwa hatten wir nach einem Auftritt in Offenbach einen freien Tag; schon der Gedanke daran kam uns schrecklich vor. Dann saßen wir im Bus nach Düsseldorf und beschlossen, bis Hamburg durchzuziehen. Von einem Rastplatz hinter Frankfurt aus riefen wir die Goldenen Zitronen an und beauftragten sie, am gleichen Abend einen Gig für sie und uns klarzumachen. Keine große Nummer, sondern was Kleines. Am Abend standen wir schließlich mit unseren Hamburger Freunden auf der Bühne des »Subito«, vor etwa hundert Gästen, während Jochen zuhause umsonst nach uns und unserem Bus fahndete.
Auf dieser Fahrt nach Hamburg haben wir ungewollt noch einejournalistin der »Elle« von unserem Haufen verscheucht. Es war eine beliebte Nummer unter selbsternannten Starschreibern geworden, sich für ein paar Tage oder auch nur Stunden in unsere Karawane einzuklinken; das pralle Rock’n’Roll-Leben einatmen und jede Menge Stoff für eine plastische Story an Land ziehen. Aber nicht jeder (und nicht jede) hielt die echte Vorlage auch aus. Miss Elle rief mehrfach zur Ordnung, sie wollte ihr Elle-Gespräch führen, jetzt mal ganz ernsthaft. Aber keiner im Bus ging richtig darauf ein.
Der Pogo, von dem wir erzählen sollten, lief schon, und Miss Elle wählte konsequent die Welt der Wörter jenseits der Bustür. Sorry anyway, aber...
Der Bus war unsere Welt, die wir nach eigenen Vorstellungen gestalteten. In dieser Welt war es lustiger und aufregender und vertrauter und einfach besser als überall da draußen. Von München nach Böblingen blieben wir unterwegs im Starkbier-Brauhaus »Operator« hängen, ex und hopp und hackevoll. Und als wir weiterfuhren, entzündete sich eine gigantische Party für Pannemänner. Wir hatten eine Ramo-nes-Scheibe in der Beschallung, voll aufgedreht, und ließen die Sau raus. Alle. One, two, three, four, cretins wanna hop some more. Sämtliche Kissen wurden aufgeschlitzt und aus den Federn weisse Bärte gebaut. Hosen-Scheiben wurden geknickt und gebogen, Zeitungen zerfleddert; alles in diesem Bus, einschließlich der Leute, wurde irgendwie geschändet.
Busparty...
Es war schließlich unser Bus, unser Leben. Four, five, six, seven, all good cretins go to heaven.
Als wir Böblingen erreichten, war der Bus nur noch eine Müllhalde auf Rädern. Es brauchte einige Stunden und zehn große Müllsäcke, das Chaos annähernd zu entfernen; die Gänsedaunen verstopften die Lüftung noch Tage später. Auch das ist Hosen-Kosmos: Du darfst unmöglich und verantwortungslos und destruktiv und obszön sein, wenn du nur für deine Laune eine Mehrheit schaffen kannst. Es gibt kein Niveau, von dem aus man nicht mehr versuchen dürfte, weiter hinunter zu steigen. Aber wenn schon absteigen, dann gemeinsam, denn im Verein ist Schwein am schönsten.
Die Erlöse aus den Tickets verwendeten wir zum ersten Mal nicht ausschließlich für unsere Unkosten und Begierden. Wir führten die Fortuna-Mark ein, denn unser Lieblingsclub befand sich an einem historischen Wendepunkt. Nach zwei Jahren bitterster Zweitklassigkeit schickte sich die Ristic-Truppe an, in die erste Bundesliga zurückzukehren. Aber dafür brauchte sie dringend noch ein paar Verstärkungen. Mit der
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