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Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Titel: Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Toten Hosen
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großartig und beunruhigend zugleich. Wie konnte es von da aus eigentlich noch weitergehen?
    Wir hatten unsere Euphorie fast bis zum Schluß der Tour einigermaßen im Zaum gehalten, von ein paar eingetretenen Hoteltüren abgesehen - das war unsere Art, Partymuffel gelegentlich aus ihren Betten zu holen. Aber dann kam der »Day off« nach dem Konzert in Innsbruck. Die beiden letzten Auftritte im Zürcher Volkshaus sahen noch weit, weit weg aus. Plötzlich brachen alle Dämme: Achtundvierzig Stunden lang wurde durchgemacht. Campi und Wölli fuhren mit der Crew nach Zürich voraus, wir anderen blieben über Nacht in Innsbruck. Gefeiert wurde hier wie dort, und als sich die beiden Arme dieses Flusses am nächsten Tag trafen, ging es doppelt so feucht weiter.
    Unglaubliche Szenen. Ich weiß noch, daß Campi irgendwann in der zweiten Nacht an der Hotelfassade rumkletterte. Plötzlich erschien er im vierten Stock halbnackt draußen am Fenster! Wir wollten aber, daß möglichst alle in diesen Stunden glücklich sind, und riefen noch ein paar Zürcher Freunde an. Auch die Nummer mit den Hoteltüren wurde wieder versucht, um alle Abtrünnigen einzusammeln. Aber dieses Hotel muß Spezialtüren gehabt haben: Mit unserem Getrete erreichten wir nur, daß Patricks Tür sich verzog und er am nächsten Morgen aus seinem Zimmer herausgeschnitten werden mußte. Ebenso erfolglos endete der Versuch, Gabi Sabatini aus dem Bett zu klingeln, die wir am Morgen in der Lobby gesichtet hatten. Unser hartnäckiges Läuten blieb unbeantwortet, aber wohl nicht folgenlos: Am nächsten Tag schied die müde Gabi beim Tennisturnier aus.
    Außer Pattex, geriebenen Muskatnüssen und Heroin ist in diesen achtundvierzig Stunden so ziemlich alles angezapft worden, was uns auf den Wolken hielt. Dazu kam das Zeug, daß sich in unseren Stammhirnen ganz von allein aufbaute: Adrenalin, Endorphine - die ganze Apotheke, die intensive Erlebnisse sowieso in einem entfalten, gerade bei extremer körperlicher Belastung. Die Rock’n’Roll-Mythen sind voller Drogengeschichten und Süchtiger, aber nirgendwo liest man etwas von dem Highsein, auf das einen die Herausforderungen und Bestätigungen einer Tour zwangsläufig bringen. Die beste Dröhnung ist ja das Erlebnis, wenn es dir gelingt, an einem Abend zwölftausend Leute plus fünf - die Band - in die Euphorie zu treiben. Nach einem solchen Abend kannst du nicht sofort deine Gitarre in den Koffer und deine Birne auf ein Kopfkissen legen. Unmöglich! Du machst weiter, trinkst und schnupfst, und irgendwann hast du auch keine Hemmschwellen mehr, Hoteltüren einzutreten. Das ist nicht »Zerstörungswut«, wie gerne geschrieben wird, sondern hauptsächlich das Adrenalin.
    Wir waren total verwüstet, als wir am nächsten Abend auf der Bühne standen. Die Party hatte erst eine Stunde zuvor geendet; keine Chance, sich nochmal »frisch« zu machen, auch nicht mit Kopfbad in einem kalten Eimer Wasser. Campi fiel beim ersten Versuch, die Bühne zu entern hin, und konnte aus eigener Kraft nicht mehr aufstehen. Wölli konnte seine Drumsticks nicht mehr festhalten; die Dinger flogen herum, als spielte er damit Mikado. Faust und Elmar versuchten, ihm die Sticks mit Klebeband an den Fingern zu befestigen, aber auch das funktionierte nicht. Nach zwanzig Minuten mußten alle einsehen, daß es keinen Zweck mehr hatte; das Konzert wurde abgebrochen. Kann es etwas Peinlicheres geben?
    Wir kamen bei den Zuschauern noch vergleichsweise glimpflich davon. Die Leute versuchten uns irgendwie zu helfen, ihr Mitleid mit uns war stärker als ihre Enttäuschung. Einige amüsierten sich auch über uns, aber es war natürlich nicht wirklich lustig. Wenn wir vor zweihundert Leuten in einem Club mal daneben gelegen hatten, war das eine andere Geschichte, aus einer anderen Zeit. Damals bildeten Kids und Musiker noch eine Szene, und wenn man mal nicht so gut war, wurde eben eine Party draus. Aber vor zweitausendfünfhundert in Zürich zu versagen, das war eine Katastrophe.
    Wir konnten uns zwar rechtzeitig erholen, um wenigstens am zweiten Abend auf der Bühne durchzuhalten - unter den Zuschauern kursierten vorher richtige Wetten, ob wir es diesmal schaffen würden oder nicht. Ein halbes Jahr später aber versagten wir wieder in der Schweiz. Nach dem peinlichen Konzert beim Festival in Fraunfeld kam es zu jenem Knall im Hotelzimmer, von dem Campi schon erzählt hat. Es folgte ein langes Krisengespräch in Trinis Garten. Vielleicht war das Wichtigste,

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