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Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte

Titel: Bis zum bitteren Ende - Die Toten Hosen erzählen ihre Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Toten Hosen
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in Halle, Dresden oder dem ehemaligen Ostberlin stiegen trotzdem. Es lag eine eigenartige Stimmung über dem Land, eine Mischung aus Unsicherheit und verhaltener Anarchie. Die alten Herren waren weg, das war offensichtlich, und die neuen waren noch nicht da. Im Radio waren plötzlich neue, freie Sender zu hören mit guten Programmen, witzig und respektlos gemacht (auch diese Keime wurden in der Mehrzahl bald gekappt). Andererseits konnte man auch in den kleinsten Orten Jugendliche treffen, die nur beinharte, rassistische Sprüche über Ausländer klopften, allerunterste Schublade. Wir erlebten aber auch witzige Geschichten. Zum Beispiel, als uns in Leipzig eine Polizeieskorte nach einem Konzert im Spätsommer von der Halle bis zur Autobahn begleitete, einfach weil es dort anscheinend so üblich war. Mit eingeschaltetem Blaulicht lavierte man uns über sämtliche roten Ampeln hinweg, während wir mit einem gutenjoint in unserem Bus die Fahrt genossen.
    Dann begann der »Kreuzzug ins Glück«. Es sind zwei Paar Schuhe, von der Nr. i der Hitparade bloß zu hören oder zu reden, oder es zu sein. Jahrelang hatten wir diesen Mythos von einer absoluten Spitze eher seltsam und nicht besonders aufregend gefunden. Aber mit der Doppel-LP kam der große Tag. Wir waren unterwegs auf Promo-Tour und gaben gerade Interviews im Hamburger Virgin-Büro, als Silvia Bell von der PR-Abteilung plötzlich vor dieser Glastür zum Konferenzraum stand und einen handgemalten, großen Zettel an die Scheibe preßte; darauf stand »i«.
    Numero Uno, Number One - und das mit einer Doppel-LP. Ich müßte lügen um zu behaupten, daß mir das völlig egal gewesen wäre. Ich bin vielleicht nur aus trockenerem Holz als der Rest der Band, der darüber ziemlich euphorisch wurde. Wir hatten davor bereits Platten in den Charts gehabt, hatten auf Festivals und Tourneen regelmäßig die Bude brummen lassen - völlig überraschend kam es also nicht.
    Ich mußte mich deshalb nicht mit Champagner vollaufen lassen oder bis zur Kotzgrenze gehen. Ich fand es eher gut, daß wir am gleichen Abend noch zum Konzert von Sator ins »Logo« gingen und noch einmal die andere Seite des Mondes zu Gesicht bekamen. Die schwedische Band, von der wir immer Fans waren und die wir deshalb auf unserer nächsten Tour mitnehmen wollten, spielte in dieser Nacht vor zwanzig zahlenden Zuschauern.
    Erst bei unserer zweiten Nummer Eins, »Kauf mich!«, war es auch für mich ein ziemlich geiles Gefühl. Der zweite Triumph ist wie das zweite Tor in der achtzigsten Minute, wenn man selbst bis dahin seinen Kasten dicht gehalten hat: Es ist die Bestätigung der überlegenen Spielweise, setzt die Marke -auch wenn ich selbst die Chartposition nicht für ein Qualitätsmerkmal halte.
    Ich wähnte mich auch nicht im Schlafzimmer der Götter, als wir im Müngersdorfer Stadion in Köln vor den beiden Stones-Konzerten spielten. Die Rolling Stones waren groß und Geschichte und Tradition, ohne Zweifel, aber was hieß das schon? Tatsächlich war es so, daß wir eines Abends zu einem ihrer Gigs losgingen, um zu sehen, ob sie live akzeptabel waren - daß sie uns haben wollten, war schon klar. Oder hätten sie Modern Talking nehmen sollen?
    Wir fuhren zusammen nach Hannover, um uns die Combo mal anzusehen. Als Trini und Campi nachher ihre Karre aus der Tiefgarage eines Hotels holten, kam ihnen die Limousine von Bill Wyman entgegen. Campi stoppte den Wagen, weil er Kleingeld für den Parkschein wechseln wollte, und Trini fing inzwischen einen Small Talk mit Wyman an. Zwei Punks von der Straße, die den großen Rockstar aufhalten - der Chauffeur wurde so nervös, daß er den beiden tatsächlich zwei Fünfer aus dem Wagenfenster warf, um sie loszuwerden. Wyman blieb cool, nur sein Fahrer preßte irgendwas wie »Ihr geht jetzt besser!« hervor. Trotzdem konnte er nicht verhindern, daß sie Wyman beim Rumfummeln an Mandy Smith beobachteten - oder war es die Gewinnerin aus einem Double-Wettbewerb?
    Der Einakter in der Tiefgarage machte fünfzig Prozent unserer gesamten Erlebnisse mit den Stones aus. Während der beiden Gigs in Köln kam es noch einmal zu einer Art Zusammentreffen, als Faust im Backstage-Bereich Mick Jagger aus Versehen umrannte. Sonst gab es absolut keine Berührungen. Die Stones saßen auf einer eigenen Etage in den Stadion-Räumlichkeiten und ließen ihre Leute alles mit uns regeln. Darin war man allerdings großzügig: Es wurde kein einziger von den Tricks versucht, mit denen der »Main Act«

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