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Bis zum Horizont

Bis zum Horizont

Titel: Bis zum Horizont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Paul Evans
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es dir mal ansehen.« Sie beugte sich vor. »Und? Was wollte er?«
    »Er lässt dir seinen Dank ausrichten für die Genesungskarte. Und er sagte, er würde dich gern als Mieterin behalten, falls du dir das mit dem Umzug anders überlegst.«
    »Oh.«
    Ich hoffte, sie würde mehr zu dem Thema Umzug sagen, aber das tat sie nicht. Daher fragte ich: »Willst du umziehen?«
    Sie zögerte. »Als ich hierher zog, war ich mir nicht sicher, wie lange ich bleiben würde, daher habe ich nur einen Mietvertrag für sechs Monate unterschrieben. Ich werde ihn morgen in der Mittagspause anrufen.« Sie aß weiter.
    »Vielleicht ist es nur ein seltsamer Zufall«, sagte ich, »aber als ich die Tür öffnete, fragte er nicht nach dir, sondern ebenfalls nach Nicole.«
    Engel sah nicht auf.
    »Ich finde das schon ein bisschen merkwürdig«, fuhr ich fort, »erst kommt diese Frau vorbei und fragt, ob …«
    Sie schnitt mir das Wort ab. »Ich kenne keine Nicole.«
    Ich sah sie einen Augenblick lang an, dann wandte ich mich wieder meinem Teller zu.
    Als das Schweigen unbehaglich wurde, fragte sie: »Bist du heute ein paar Schritte gegangen?«
    »Nein, ich habe vor dem Fernseher Aerobic gemacht.«
    »Schwitzen zu Oldies?«
    »So ungefähr«, antwortete ich.
    »Und? Welcher Film steht heute Abend auf dem Programm?«, fragte sie. Mittlerweile kannte ich mich mit der Liste besser aus als sie.
    »Nummer neunundsechzig. Shane .«
    »Ist das der mit diesem Detective aus Harlem?«
    Ich sah sie einen Augenblick lang an, dann lächelte ich. »Das ist Shaft . Shane ist ein Western mit Alan Ladd und Jack Palance.«
    »Ups, knapp daneben«, sagte sie.
    Wir mussten beide lachen. An diesem Abend verlor niemand mehr ein Wort über Bill oder Nicole.

Dreizehntes Kapitel
    Der Mensch ist nicht dafür geschaffen, allein zu sein. Selbst in der anstrengenden Gemeinschaft eines Gefängnisses gilt Einzelhaft noch immer als grausame Strafe.
    Alan Christoffersens Tagebuch
    Am ich am nächsten Morgen beim Frühstück saß, fiel mir auf einmal auf, was an Engels Wohnung nicht stimmte. Es gab keine Fotos. Nicht ein einziges. Keine Schnappschüsse ihrer Mutter, ihres Vaters, von Freunden oder Geschwistern. In der ganzen Wohnung gab es kein Bild eines anderen Menschen.
    Tatsächlich gab es überhaupt keinen Hinweis darauf, dass diese Frau in irgendeiner Verbindung zur übrigen Menschheit stand. Das galt auch für das, was sie sagte. In all unseren Gesprächen hatte sie nicht ein einziges Mal Verwandte oder Freunde erwähnt.
    Halt, ein Bild hatte es doch gegeben. Ich weiß nicht, wieso es mir jetzt wieder einfiel, aber als ich in der Nähe von Waterville angehalten hatte, um ihr zu helfen, hatte am Armaturenbrett das Foto eines kleinen Jungen geklebt.
    Was für ein Mensch lebte ein Leben wie Eleanor Rigby und lud dann einen völlig Fremden ein, auf unbestimmte Zeit bei ihm zu wohnen? Oder war genau das der Grund, weshalb sie mich eingeladen hatte – damit sie nicht mehr allein war? Vielleicht. Menschen brauchen Menschen. Wo waren sie also in Engels Welt?
    Die Fragen in Bezug auf Engel häuften sich langsam. Ihr nächtliches Weinen, unser Gespräch über den Tod und ihre Hoffnung auf Vergessen, der Zufall, dass zwei Leute nach Nicole gefragt hatten – und Engels seltsame Reaktion, als ich es ihr erzählt hatte. Wer war Engel, und warum war ich hier?
    Meine Intuition sagte mir, dass das, was Engel so zu schaffen machte, irgendetwas mit dieser Nicole zu tun hatte. Aber ich hatte keine Ahnung, wer diese Frau war. Ich kannte nicht einmal ihren Nachnamen. Bedauerlicherweise wusste ich nicht mehr, ob die Frau, die vorbeigekommen war und nach Nicole gefragt hatte, ihn erwähnt hatte. Ich hatte nicht darauf geachtet. Warum auch? Damals war sie für mich nur jemand gewesen, der sich in der Tür geirrt hatte.
    Mir kam der Gedanke, dass andere Leute im Haus irgendetwas über sie wissen könnten, daher beschloss ich, mit ihnen zu reden. Die erste Gelegenheit dazu bot sich schon am selben Nachmittag.
    Ich hatte mein Gehtraining in der Zwischenzeit auf zweimal täglich gesteigert. Um kurz nach zwei machte ich ein paar Dehnübungen im Eingangsbereich des Hauses, als eine von Engels Nachbarinnen vorbeikam. Es war die junge Frau, der ich begegnet war, als ich das erste Mal allein aus dem Haus gegangen war. Sie betrat das Haus mit gesenktem Kopf und zuckte ein wenig zusammen, als sie mich sah. »Sie haben mich erschreckt.«
    »Tut mir leid«, sagte ich.
    »Nein, nein, es ist nur so, dass

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