Bis zum Horizont

ich noch immer an meine Vision, daran, dass es mir bestimmt gewesen war, Engel zu begegnen. Egoistischerweise war ich davon ausgegangen, dass ich von unserer Begegnung profitieren sollte, genau wie von den Begegnungen mit den anderen »Engeln«, denen ich bisher auf meinem Weg begegnet war, aber jetzt begriff ich, dass es diesmal vielleicht umgekehrt war.
    Engel schien sich einer Art Abgrund zu nähern, doch ich wusste nicht, wo er sich befand und wie tief er war. Ich wusste aber, dass ich ihre einzige Hoffnung war, da ich der einzige Mensch in ihrem Leben war. Ich entschied, zu bleiben, solange es noch eine Chance gab, ihr zu helfen.
    Es hatte seit zwei Tagen nicht mehr geschneit, und die Straßen und Gehwege waren einigermaßen frei, sodass ich beschloss, meinen ersten längeren Ausflug zu machen und mit meinem leeren Rucksack zweieinhalb Meilen weit bis zum Rand des Vororts und wieder zurück zu gehen, eine Strecke von fünf Meilen insgesamt.
    Es lief gut, zumindest auf den ersten paar Meilen, dann begannen meine Oberschenkel und Waden zu brennen. Grund war nicht so sehr die Verletzung, sondern eher, dass ich nicht mehr in Form war. Selbst leer kam mir der Rucksack schwerer vor, als ich ihn in Erinnerung hatte. Ich bewegte mich im Schneckentempo vorwärts, und als ich wieder in die Nora Street einbog, war ich froh, zu Hause zu sein. Auf dem Weg ins Haus nahm ich die Post mit. Es war eine Postkarte der Kabelgesellschaft dabei, die den Vermerk ZURÜCK AN ABSENDER trug.
    Freundliche Erinnerung von Larcom Cable
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    Auf den unteren Rand der Karte waren die Worte gekritzelt: Bitte schließen Sie mein Konto, ich werde es nicht mehr benötigen .
    Ich warf einen Blick auf den Poststempel. Die Karte war erst vor drei Tagen abgeschickt worden.
    Auch an diesem Tag kam Engel spät von der Arbeit nach Hause, und ich rechnete wieder mit einem Abend unbehaglichen Schweigens. Aber kaum war sie zur Tür hereingekommen, rief sie meinen Namen. »Alan.«
    Ich war in der Küche und ging in die Diele. Sie lächelte zuckersüß, als sie mich sah. »Hi.«
    Dieser radikale Stimmungsumschwung überraschte mich. »Hi.«
    »Willst du heute Abend ausgehen?«
    »Ich habe gekocht.«
    »Können wir das nicht einfrieren? Ich würde dich gern einladen.«
    »Na schön«, sagte ich etwas verwirrt.
    »Wie wär’s mit chinesischem Essen? Der Asian Star hat fabelhafte Potsticker, und die Walnuss-Shrimps dort sind lebensverändernd gut.«
    »Schon überredet«, sagte ich.
    Wir stellten das Essen in den Kühlschrank und fuhren zu dem Restaurant, das in der Nähe der Universität lag und dementsprechend von Studenten bevölkert war. Nachdem die Bedienung unsere Bestellung aufgenommen hatte, sagte Engel: »Ich vermisse es, zu studieren. Ich liebe diese Energie.«
    »Wie lange hast du denn studiert?«
    »Ich musste mein Studium im dritten Jahr aufgeben, als ich …« Sie brach mitten im Satz ab und senkte für einen Moment den Blick. Dann sah sie wieder zu mir hoch. Ihr Blick war weich, reuevoll. »Es tut mir leid, dass ich in letzter Zeit so launisch war. Du musst das Gefühl haben, dass du bei einer Verrückten wohnst.«
    »Nein«, sagte ich. »Aber ich mache mir Sorgen um dich. Wenn ich irgendetwas für dich tun kann … Wenn du jemanden zum Reden brauchst, ich bin ein guter Zuhörer.«
    »Danke«, sagte sie. Sonst sagte sie allerdings nichts dazu.
    Ich räusperte mich. »Nun, ich habe nachgedacht. Ich würde wirklich gern ein Thanksgiving-Dinner kochen.«
    »Ich feiere Thanksgiving eigentlich nicht«, sagte sie.
    »Ich weiß. Aber vielleicht könntest du eine Ausnahme machen, damit ich mich für all das bedanken kann, was du für mich getan hast.«
    »Das musst du nicht. Außerdem muss ich am Donnerstag arbeiten.«
    »Dann werden wir eben essen, wenn du zurückkommst.«
    Sie antwortete nicht, sondern schwieg und sah aus, als sei sie mit ihren Gedanken plötzlich ganz woanders. Dann blickte sie zu mir hoch und lenkte ein. »Okay«, sagte sie. »Das klingt, als ob es Spaß