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Bis zum Horizont

Bis zum Horizont

Titel: Bis zum Horizont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Paul Evans
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ich hier fast nie jemanden sehe.«
    »Ich weiß, was Sie meinen. Es ist richtig still hier. Sind alle Wohnungen vermietet?«
    »Man würde es nicht vermuten, aber das sind sie. Bill vermietet an niemanden, der lauter ist als er selbst. Das heißt, wir sind alle leise wie die Kirchenmäuse.«
    »Bill, der Vermieter?«
    »Ja.«
    Ich streckte die Hand aus. »Ich bin Alan Christoffersen.«
    Sie schüttelte meine Hand. »Ich bin Christine Wilcox. Freut mich, Sie kennenzulernen. Sie wohnen in Apartment drei?«
    Ich nickte. »Ich bin vor ein paar Wochen bei Engel eingezogen. Wohnen Sie schon lange hier?«
    »Für meine Verhältnisse ja. Ich wohne seit zwei Jahren hier. Ich studiere an der Gonzaga-Universität.«
    »Ich dachte mir schon, dass Sie Studentin sind – wegen des Rucksacks«, bemerkte ich.
    »Standarduniform«, erwiderte sie.
    »Zwei Jahre«, wiederholte ich. »Dann kennen Sie vermutlich alle Mieter hier?«
    »Ja. Aber nicht sehr gut. Hier bleibt im Grunde jeder für sich.«
    »Vielleicht könnten Sie mir helfen. Gab es hier je eine Mieterin namens Nicole?«
    Sie legte die Stirn in Falten. »Nicole? Nicht, seit ich hier wohne. Warum?«
    »Neulich kam eine Frau vorbei, die nach einer Nicole gesucht hat.«
    »Ach ja, sie hat eine Nachricht an meiner Tür hinterlassen. Trotzdem, ich kenne keine Nicole. Aber Sie könnten Bill fragen.«
    »Danke. Vielleicht mache ich das. Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen, Christine.«
    »Danke, mich hat es auch gefreut. Viel Spaß beim Laufen.« Sie suchte in ihrer Tasche nach ihren Schlüsseln. »Ach, und grüßen Sie Engel von mir. Wir drohen uns immer wieder damit, uns einmal zu besuchen, aber wenn ich bei ihr vorbeischaue, geht sie nie an die Tür. Ich glaube langsam, dass sie mir aus dem Weg geht.« Christine sperrte ihre Tür auf. »Schönen Tag noch.«
    »Danke gleichfalls.«
    Sie verschwand in ihrer Wohnung. Ich ging zur Haustür hinaus, um mein tägliches Laufpensum in Angriff zu nehmen.
    An jenem Abend kochte ich Muschelsuppe. Beim Essen sagte Engel: »Darf ich dich etwas über deine Frau fragen?«
    »Na klar.«
    »Wie war sie?«
    Ich lächelte wehmütig. »Sie war vollkommen. Ich meine, für mich war sie es. Sie war vollkommen, gerade wegen dem, was ihr fehlte. Wir hatten beide in jungen Jahren unsere Mutter verloren, und keiner von uns hatte Geschwister, und so gaben wir uns gegenseitig Halt. Unsere Brüche und Leerstellen passten perfekt zueinander. Ich kann mir nicht vorstellen, je irgendjemanden wieder so zu lieben wie sie.«
    »Genauso sollte es sein. Ich denke, so etwas gibt es sehr selten. Warum gehst du nach Key West?«
    »Willst du wissen, warum ich nach Key West gehe, oder warum ich gehe?«
    »Beides.«
    »Ich habe mich für Key West entschieden, weil es weit weg ist. Und ich gehe, weil ich, nachdem ich McKale verloren hatte, auch mein Zuhause, meine Autos und meine Firma verloren habe. Es erschien mir einfach klug, wegzugehen.«
    »Manchmal hilft nichts anderes, als wegzulaufen.« Engel nickte, als würde sie es verstehen. »Wie hast du deine Firma verloren?«
    »Ich wurde von meinem Partner verraten. Während ich mich um McKale kümmerte, warb er all meine Kunden ab und gründete seine eigene Firma.«
    »Das ist abscheulich und gemein.«
    »Das fand ich auch.«
    »Wie heißt er?«
    »Kyle Craig«, sagte ich langsam. »Vertraue nie jemandem mit zwei Vornamen.«
    »Hasst du ihn?«
    Die Frage brachte mich zum Nachdenken. »Wenn ich es mir recht überlege, vermutlich schon. Aber ehrlich gesagt, denke ich nicht viel an ihn. Wenn ich über ihn nachgrübeln würde, würde er mehr Platz in meinem Leben einnehmen, als ich will.«
    »Das ist sehr weise«, sagte sie. Sie aß noch einen Löffel Suppe, dann fragte sie: »Hasst du den Jungen, der dich mit dem Messer angegriffen hat?«
    »Er ist tot. Da gibt es niemanden mehr, den ich hassen könnte.«
    »Viele Leute hassen Tote.«
    »Das stimmt«, sagte ich. Ich lehnte mich zurück und blickte ihr fest in die Augen. »Gibt es jemanden, den du hasst?«
    »Da könnte ich dir ein paar Namen nennen.«
    »Irgendjemand Bestimmtes?«
    Sie antwortete nicht sofort, aber als sie es tat, schwang in ihrer Stimme ein seltsamer Unterton mit. »Mich selbst vermutlich.«

Vierzehntes Kapitel
    So schwer mir das Laufen heutzutage auch fällt, ich habe offenbar noch immer kein Problem damit, Ärger über den Weg zu laufen.
    Alan Christoffersens Tagebuch
    Die nächsten schweren Schneefälle gab es in Spokane am frühen Morgen des

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