Bis zum Horizont
dass ich zwei Jahre nach dem Überschreiten der Altersgrenze mit einer Wahrscheinlichkeit von sechzig Prozent entweder schwanger, im Gefängnis, obdachlos oder tot sein würde. Aber dazu werde ich es nicht kommen lassen. Ich will etwas aus meinem Leben machen. Ich will aufs College gehen.«
»Weißt du denn schon, was du studieren willst?«
»Ich will einmal Richterin werden.«
Ich nickte. »Das ist ein tolles Ziel. Dann müssen alle ›Euer Ehren‹ zu dir sagen.«
Ein breites Lächeln zog sich über ihr Gesicht. »Das wäre klasse. Vielleicht könnte ich so sein wie Richterin Judy und meine eigene Fernsehshow haben. Richterin Judy lässt sich von niemandem etwas bieten.«
»Nein«, sagte ich. »Das tut sie nicht.«
Ich mochte dieses Mädchen.
Neununddreißigstes Kapitel
Hier ist der Witz, den Kailamai mir heute erzählt hat. Eine Frau fragte ihren Ehemann: »Wie war das Golfspielen heute?« »Es war furchtbar«, antwortete er. »Beim elften Loch hat Harry einen Herzinfarkt erlitten und ist gestorben.« »Oh nein!«, rief sie. »Das ist ja entsetzlich!« »Wem sagst du das«, entgegnete ihr Mann. »Die nächsten sieben Löcher hieß es, den Ball schlagen, Harry mitschleifen, den Ball schlagen, Harry mitschleifen.«
Alan Christoffersens Tagebuch
Wir waren etwa zweieinhalb Meilen weit gelaufen, als wir zum Old Mission State Park kamen. Die Old Mission of the Sacred Heart wurde im Jahr 1853 von Jesuitenpriestern errichtet und ist das älteste Gebäude Idahos. Selbst nach heutigen Maßstäben ist es ein eindrucksvolles Bauwerk, und es fällt schwer zu glauben, dass dieser massive Bau an einem solch abgelegenen Ort ohne einen Holzplatz oder schwere Maschinen errichtet wurde. Was den Jesuiten an Technik fehlte, das machten sie durch Hingabe wett.
Der Park war für Besucher geöffnet, und Kailamai und ich schlenderten etwa eine Stunde lang durch das Besucherzentrum. An diesem Vormittag lernte ich zwei Dinge über Kailamai. Erstens, dass sie witzig war.
»Wie viele Psychiater braucht man, um eine Glühbirne zu wechseln?«, fragte sie.
»Keine Ahnung«, sagte ich.
»Nur einen. Aber die Glühbirne muss gewechselt werden wollen .«
Ich grinste. »Das ist ziemlich witzig.«
Sie fuhr fort: »Ein paar Typen mit Gorillamasken überfallen eine Bank. Als sie flüchten wollen, zieht ein Kunde einem der Männer die Maske herunter, um zu sehen, wie er aussieht. Der Bankräuber sagt: ›Jetzt, wo du mich gesehen hast, musst du sterben‹, und erschießt den Mann. Der Bankräuber sieht sich in dem Raum um. Alle sehen entweder weg oder halten sich die Hände vor die Augen. ›Hat sonst noch irgendwer mein Gesicht gesehen?‹, fragt er. Ein Ire in der Ecke hebt langsam die Hand. ›Du hast mein Gesicht gesehen?‹, fragt der Bankräuber. ›Nein, aber ich glaube, meine Frau könnte ein kleinen Blick erhascht haben.‹«
Ich musste sehr lachen.
Das Zweite, was ich feststellte, war, dass Kailamai mehr essen konnte als ich. Ich machte wieder Salamisandwichs und gab ihr einen Apfel und ein paar Energieriegel. Sie verschlang alles. Wir liefen den ganzen Tag und erreichten die Stadtgrenze von Kellogg, als die Sonne gerade unterging. Kailamai war erschöpft, und ich verlangsamte mein Tempo deutlich, damit sie mit mir mithalten konnte. Sie beklagte sich nie über die weite Strecke, entschuldigte sich jedoch mehrmals dafür, dass sie mich aufhielt, und sagte, dass ich sie einfach zurücklassen sollte, wenn ich wollte. Aber das wollte ich nicht. Ich mochte ihre Gesellschaft. In mancher Hinsicht erinnerte sie mich an McKale, als sie jünger war: fröhlich, witzig und ein bisschen ironisch.
Kellogg ist eine merkwürdige Stadt, die durch den Interstate in einen alten und einen neuen Teil getrennt wird – wobei der neue Teil ein Skiresort mit einer der größten Gondeln in der westlichen Hemisphäre ist.
Der Legende nach genießt die Stadt Kellogg die besondere Ehre, von einem Esel gegründet worden zu sein, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Die Stadt verdankt ihren Namen einem Goldsucher namens Noah Kellogg. Eines Morgens im Jahr 1885 entfernte sich Kelloggs Esel von seinem Lagerplatz. Ein paar Stunden später fand Kellogg das Tier neben einem großen Felsvorsprung aus Bleiglanz, einem Bleierzmineral, das beträchtliche Silberablagerungen enthielt.
Die Entdeckung führte zur Errichtung der Mine und Schmelzhütte Bunker Hill, die über einhundert Jahre in Betrieb war, bis sie im Jahr 1981 geschlossen wurde. Auf einem Schild
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