Bis zum Horizont
das Essen und das Dach über dem Kopf, das er mir gegeben hat. Bitte segne ihn mit Frieden und Sicherheit und allem, was er braucht. Und ich bete für all diejenigen, denen heute Nacht irgendetwas zustößt, und bitte schicke auch ihnen Engel, die sie erretten. Ich bete darum, dass diese Typen in dem Truck nicht wiederkommen. Im Namen Jesu, Amen.«
Wir schwiegen beide einen Augenblick. Sie rollte sich herum. »Meinen Sie, diese Typen werden wiederkommen?«
»Nein.«
»Ich weiß nicht«, sagte sie. »Sie waren ganz schön durchgeknallt.«
»Ich will mir lieber nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn ich nicht hier gewesen wäre«, sagte ich.
»Das Übliche«, erwiderte sie und rollte sich von mir weg. »Gute Nacht.«
Es waren ihre letzten Worte, bevor sie einschlief.
Achtunddreißigstes Kapitel
Ich frage mich, was McKale sagen würde, wenn sie mich jetzt sehen könnte. Ehrlich gesagt, weiß ich es. Sie würde mich einen »verrückten alten Narren« nennen. Entweder das, oder sie würde mir eine knallen.
Alan Christoffersens Tagebuch
Am nächsten Morgen wachte ich bei Sonnenaufgang auf. Im Zelt war es warm, und Wassertropfen hatten an der schrägen Vinyldecke kondensiert. Ich brauchte einen Moment, um mich zu erinnern, warum ich nicht allein war und wer neben mir schlief.
Kailamai schlief noch. Sie lag auf der Seite und schnarchte leise. Ich zog mich in meinem Schlafsack an, dann kletterte ich aus dem Zelt.
Die morgendliche Luft war kalt und frisch, und die Sonne brach eben durch den dichten Baldachin der Bäume, der erfüllt war von den schrillen, monotonen Schreien einer Eule, die irgendwo unsichtbar in den Zweigen über mir saß.
Am Abend zuvor war ich nicht sofort eingeschlafen. Stattdessen hatte ich über Kailamais letzte Worte vor dem Einschlafen nachgedacht. »Das Übliche.« Ich grübelte über ihre Geschichte nach – über ihren Vater (oder das Fehlen eines solchen) und über eine tote Mutter, für die sich niemand, nicht einmal sie selbst, interessierte.
Ich sammelte ein paar honigmelonengroße Steine ein und baute damit eine Feuerstelle. Dann suchte ich die nähere Umgebung nach Zweigen ab, bis ich einen Arm voll beisammenhatte. Ich hätte meinen Propankocher benutzen können, um ein warmes Frühstück zuzubereiten, aber es war ein kalter Morgen, und ich sehnte mich nach der Wärme eines Feuers (das Mädchen vermutlich auch).
Ich legte drei Steine in die Mitte der Feuerstelle, und als die Flammen etwa dreißig Zentimeter hoch waren, stellte ich meine Pfanne vorsichtig darauf. Eine Minute später goss ich die Packung Flüssigei hinein. Ich schnitt etwas Pecorino und Salami in dünne Scheiben und streute sie über die blubbernde Eimasse.
Kailamai kam etwa fünf Minuten später aus dem Zelt. »Hey«, sagte sie. Ich wandte mich um. Ich hatte sie bis jetzt nur im Dunkeln zu Gesicht bekommen, sodass ich sie nun zum ersten Mal richtig sehen konnte. Sie war etwa einen Meter sechzig groß, schmal und hatte ein breites Gesicht. Was mir gestern nicht aufgefallen war, war, dass sie auf eine klassische Art hübsch war. Sie hatte hohen Wangenknochen und eine sanft abfallende Nase und sah aus wie eine dieser Frauen auf einem Botticelli-Gemälde. Ihr Haar war dunkel und zerzaust. Und sie hatte mehrere Piercings, die mir gar nicht aufgefallen waren, drei in jedem Ohr und eines in der Nase.
»Was immer Sie da kochen, es riecht gut«, sagte sie.
»Es ist eine Abwandlung von dem, was du gestern Abend gegessen hast. Omelett mit Pecorino und Salami.«
»Klingt gut«, sagte sie. Sie setzte sich rittlings auf die Bank vor dem Picknicktisch, sodass sie nah beim Feuer saß, um seine Wärme zu spüren.
»Hungrig?«, fragte ich.
»Ich wurde hungrig geboren.«
»Schnapp dir das Offiziersgeschirr«, sagte ich.
»Das was?«
»Das Offiziersgeschirr. Das ist dieses silberne Teil oben auf meinem Rucksack.«
Sie hob es hoch. »Das da?«
»Ja. Gib es mal her.«
»Warum nennen Sie es Offiziersgeschirr?«
»Ich weiß nicht. Es ist irgendwas von der Armee.«
»Sie sagten doch, Sie waren nicht in der Armee.«
»War ich auch nicht.« Ich klappte die Box auf und häufte ein Omelett auf eine der Hälften. »So, bitte sehr.«
Sie nahm das Essen, dann setzte sie sich mit dem Rücken zum Feuer an den Tisch. »Danke. Ich werde das Tischgebet sprechen.«
Ich nahm die Pfanne vom Feuer. »Okay.«
»Gütiger Vater, danke für dieses Mahl. Segne Alan dafür, dass er es mit mir teilt. Segne dieses Mahl für unsere
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