Bis zum Horizont
er.
»Ich bin Alan. Das ist Kailamai.«
Er tippte sich an die Mütze. »Ma’am.«
»Hey«, sagte sie.
»Wohin wollt ihr?«
»Osten«, sagte ich. »Ganz nach Osten.«
Obwohl er mit uns ging, blieb sein Daumen ausgestreckt an seiner Seite. »Ich will nicht sehr weit. Ich gehe jede Woche nach Mullan, um meine Freunde zu besuchen.«
»Sie sind aus Wallace?«
»Die meisten Tage meines Lebens ja. Siebzig Jahre insgesamt.«
Kailamai lief mit gesenktem Kopf, ohne an der Unterhaltung teilzunehmen.
»Was machen Sie in Wallace?«, fragte ich. »Beruflich, meine ich?«
»Schürfen hauptsächlich. Ein bisschen Holzfällen, aber hauptsächlich Schürfen.«
»Nach Gold?«
»Immer Gold. Na ja, das stimmt nicht ganz. Ich habe auch schon nach Silber geschürft, aber hauptsächlich nach Gold.«
»Haben Sie viel Glück gehabt?«
»Ich habe immer Glück«, sagte er mit einem leisen Kichern. »Nur manchmal Glück von der guten Art, und manchmal von der schlechten. Na ja, meistens eher Letzteres.«
»Haben Sie Familie?«
»Ja, ich habe das ganze Programm durchgezogen. Meine Kinder wohnen nicht weit von hier. Sie melden sich manchmal.«
»Und Ihre Frau?«
Sein Blick genügte als Antwort. »Ich bin fertig mit ihr. Oder sie mit mir. Manchmal weiß ich nicht mehr, was von beidem.«
»Und haben Sie in all den Jahren, die Sie nun schon schürfen, je die Hauptader gefunden?«
Er hob bedauernd die Hände. »Nein. Dachte ein paarmal, ich hätte sie gefunden, aber die Milch war immer schon versiegt.«
»Wie viele Jahre suchen Sie denn schon?«
»Ungefähr, seit ich alt genug war, einen Topf zu halten. Ich suche noch immer.«
»Wie machen Sie das?«, fragte ich. »Siebzig Jahre dranbleiben, ohne Erfolg?«
»Erfolg?«, sagte er. »Ich hab’s nicht schlecht getroffen. Ich bin relativ gesund, ich habe gute Freunde und keine Kinder im Knast. Ich weiß ja nicht, was Ihre Definition von Erfolg ist, aber das ist meine.«
»Natürlich.« Ich hörte den Tadel heraus. »Ich meinte nur, all die Jahre, ohne zu finden, was Sie suchten …«
»Ach«, sagte er. »Die Frage ist doch, was passiert wäre, wenn ich die Hauptader gefunden hätte?« Er deutete mit einem knochigen Finger auf mich. »Das Schlimmste, was man einem Mann geben kann, ist das, was er will. Es geht ums Suchen. Wenn ein Mann bekommt, was er gesucht hat, dann ist die Straße zu Ende, oder?« Er lächelte. »Aber Sie sind ja noch jung. Sie werden schon noch dahinterkommen.«
Während ich über seine Worte nachgrübelte, fuhr ein alter Dodge-Truck vor uns auf den Seitenstreifen und hielt an. »Das müsste meine Mitfahrgelegenheit sein. Wollt ihr mitkommen?«
»Nein, wir laufen lieber.«
»Ist’n schöner Tag dafür. Aber passt auf, manchmal fahren die Holzlaster ein bisschen zu nah an den Seitenstreifen heran.« Er öffnete die Beifahrertür und stieg ein. Der Truck schoss davon.
Den Großteil des Tages war unser Weg leicht. Die Straße hatte breite Seitenstreifen, und es gab reichlich Schatten. Kailamai und ich redeten über alle möglichen Themen von der Religion bis hin zu der Frage, warum ich nie einen Hund gehabt hatte. Und dann gab es noch Kailamais Witze.
»Ein Arzt ruft seinen Patienten an und sagt: ›Ich habe eine schlechte und eine schreckliche Neuigkeit für Sie.‹ Der Patient fragt: ›Was ist die schlechte Neuigkeit?‹ Der Arzt sagt: ›Sie haben nur noch vierundzwanzig Stunden zu leben.‹ Der Patient sagt: ›Oh nein! Was für eine Neuigkeit könnte noch schlimmer sein als das?‹ Der Arzt sagt: ›Ich habe seit gestern versucht, Sie zu erreichen.‹«
Etwa zwanzig Meilen später erreichten wir den Nationalforst von Cœur d’Alene, und die Straßen führten wieder bergauf. Der Straßenrand war überall abschüssig und nicht geeignet zum Zelten, und es wurde bereits dunkel, als wir das Skiresort am Lookout Pass und damit die Grenze nach Montana erreichten.
Wir gingen hoch zum Eingang des Resorts, aber obwohl noch immer etwas Schnee lag, war die Hütte bereits für die Saison geschlossen. Der Ort sah verlassen aus, daher bauten wir unser Zelt gleich hinter dem Hauptgebäude auf. Ich hatte gerade die letzten Hering in die Erde geschlagen, als Kailamai flüsterte: »Alan.«
Sie deutete auf einen Mann, der in der Nähe der Hütte stand und uns beobachtete.
»Was glauben Sie, was Sie hier tun?«, fragte er.
Ich stand auf. »Guten Abend«, sagte ich.
»Sie können hier nicht zelten«, sagte er schroff. »Das ist ein Privatgrundstück.«
Ich ging
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