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Bis zum Horizont

Bis zum Horizont

Titel: Bis zum Horizont Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Paul Evans
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Stärke 7,5 einen schweren Erdrutsch aus.
    80 Millionen Tonnen Gestein – der halbe Berg – stürzten herab und schufen diesen See, der vier Meilen lang und 120 Fuß tief ist.
    Das erklärte die Bäume mitten im See. Am nächsten Tag erreichte ich West-Yellowstone.

Siebenundvierzigstes Kapitel
    Als ich das letzte Mal in Yellowstone war, trug ich Superman-Unterwäsche.
    Alan Christoffersens Tagebuch
    Als ich sieben Jahre alt war, unternahm meine Familie einen Ausflug zum Yellowstone National Park (den Ausflug, über den mein Vater und ich im IHOP gesprochen hatten). Das ist sehr lange her. Es war das Zeitalter, als die Amerikaner Autos noch genauso sehr liebten, wie sie piepsende russische Satelliten fürchteten. Unsere Wahrnehmung des Parks war von einer bemerkenswerten, wenn auch charmanten Naivität – die Realität war in dieser nationalen Fantasie fast vollständig ausgeblendet. Yellowstone war einfach eine riesige Freilicht-Bühnenshow – mit Tieren als Schauspielern, die praktischerweise zu unserer Unterhaltung dort untergebracht waren: Elche betrachteten wir als Bullwinkle-Geschöpfe, und Bären waren gezähmte Fellknäuel mit Namen wie Yogi und Boo-Boo, die Picknickkörbe und Touristen liebten und gern für Fotos posierten. Mehr als nur ein paar scheußliche Tierangriffe waren nötig, um dieses Yellowstone-Bild zu zerstören und uns begreifen zu lassen, dass wilde Tiere, na ja, eben wild sind.
    Während meine Mutter in der Nähe des Old Faithful Inn vor den Toiletten anstand, sahen mein Vater und ich eine Touristin (ich weiß noch, dass sie wie eine größere Version von Lucille Ball aussah) auf einen wilden Büffel zugehen. Ihr Mann hatte sie durch die Linse seiner Brownie-Kamera im Visier und stachelte sie in Erwartung eines einmaligen Schnappschusses an: »Nur noch ein bisschen näher, Madge. Ja, nur noch ein paar Schritte. Ja! Genau so! Leg deine Hand auf ihn. Ja, reib ihm den Nacken.«
    Der Büffel sah sie mit glasigen Augen an, die etwa so groß wie Tennisbälle waren, als sei sie das dämlichste Geschöpf auf Gottes weiter Erde (was sie vielleicht war), und versuchte zu entscheiden, ob er angewidert davonstapfen oder sie zum letztendlichen Wohl des menschlichen Genpools zertrampeln sollte.
    Mein Dad beobachtete die Szene mit einer seltsamen Mischung aus Belustigung und Neid. Letztendlich entschied sich der Büffel, nichts zu tun, sondern einfach davonzustapfen. Manchmal hat die Natur eben Mitleid mit den Dummen.
    Ich weiß nicht, welche Überlegungen der Büffel in diesem Augenblick anstellte, aber ich nehme fast an, dass sie in etwa wie folgt aussahen: »Stehen diese Leute wirklich an der Spitze der Nahrungskette?«
    Wie so oft im Leben war die Vorfreude auf diesen Ausflug sogar noch schöner gewesen als der Ausflug selbst. Ein paar Wochen vor unserem Urlaub ging meine Mutter mit mir zum Buster-Brown-Schuhgeschäft, um mir ein paar neue Keds – grüne Segelschuhe aus Leinen mit weiß umrandeten Sohlen – und ein neues T-Shirt mit einem Bild von Charlie Brown zu kaufen, wie er auf einen Football zuläuft, den Lucy hält. (Nebenbemerkung: Warum, oh warum nur ließ Charles Schulz bei seinem letzten Comic Charlie Brown den Football nicht treten – er hätte der Menschheit solche Hoffnung geben können!)
    Wir saßen eine Ewigkeit im Auto (meinem jungen Verstand kam es ungefähr so lange vor wie mein ganzes zweites Schuljahr), aber letztendlich lohnte sich die Fahrt. Als Einzelkind blieb mir das Vergnügen versagt, mit einem Bruder oder einer Schwester zu streiten (er ist auf meiner Seite des Wagens; sie hat mir die Zunge herausgestreckt; er hat mich zuerst berührt), dafür hatte ich die ganze Rückbank, um mich auszustrecken.
    Wir besaßen einen feuerroten Ford Galaxy 500. Er war kaum größer als ein Sandlastkahn, hatte aber einen deutlich höheren Spritverbrauch. Ich weiß noch, wie wir einmal einen Hügel hinauffuhren und mein Vater auf die Tankuhr deutete und sagte: »Seht euch das an.« Er drückte aufs Gaspedal, und die Nadel der Tankanzeige fiel deutlich um ein, zwei Punkte.
    Mein Vater war ungewöhnlich großzügig auf dieser Reise, und ich durfte mir nicht nur ein Souvenir kaufen, ich wurde sogar dazu ermuntert. Ich entschied mich für einen Keramikbären mit aufgemaltem Fell und ein Kästchen mit einer in Holz gebrannten Abbildung des Old Faithful. Ich erinnere mich, wie ich mit mir gerungen hatte, ob ich mich für eine echte handgenähte indianische Lederbrieftasche (made in Taiwan)

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