Bis zur letzten Luge
„Soll ich meine Schuhe anlassen, Henri?“
„Kannst du etwas sehen?“, flüsterte Fanny wieder.
„Schh … Noch ist nichts zu sehen“, schwindelte Nicolette. „Fanny!“ Der Ruf drang bis in den Wandschrank, obwohl sich zwischen den Mädchen und der Quelle des Rufes noch zwei geschlossene Türen und ein Treppenhaus befanden.
„Mist“, murmelte Fanny. „Meine Mama ruft. Sie kommt, um nach mir zu suchen, wenn ich nicht gehe.“
„Dann geh lieber. Wenn sie dich hier erwischt, setzt’s was!“
Wieder fluchte Fanny. Nicolette beneidete sie um ihre Ausdrucksweise. „Falls du geschnappt wirst, sag niemandem, dass ich auch hier war!“, warnte Fanny sie. „Verrate mich, und ich werde dich kriegen.“
„Und du verrätst niemandem, wo ich bin!“
Das leise Knarren der Schranktür erklang, und Fanny war verschwunden.
Nicolette richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Mann in Violets Zimmer. Sie konnte ihr Glück kaum fassen. Sie konnte alles sehen, und niemand schien zu wissen, dass sie zusah. Fanny hatte beim Staubwischen in Violets Zimmer auf der anderen Seite nach dem Loch gesucht. Es war zwischen zwei Bildern, die eng nebeneinanderhingen. Obwohl sie gewusst hatte, dass das Loch irgendwo in der Wand sein musste, hatte es eine ganze Weile gedauert, bis Fanny es gefunden hatte. Im Muster der Tapete war es fast untergegangen.
Der Mann schob die Hand in Violets Haar und packte sie an der Brust. Sie zuckte nicht zusammen, als er fest zudrückte. „Lass auch die Strumpfhalter an“, sagte er.
„Oui.“
Violet war zwar keine Französin, aber Nicky wusste, dass einige Männer es gernhatten, wenn sie so tat. Wenn das Geld stimmte, war Violet alles, was die Männer wollten. Die Herzogin kannte alle Mädchen in den Häusern an der Basin Street. Sie war der Meinung, dass Violet mit ihren puppenhaften blauen Augen, ihrem goldenen Haar und der Spur farbigen Blutes mehr Kunden gefiel als jede andere Frau im Stadtviertel. Die Herzogin behauptete, dass das farbige Blut für den Geschmack war. Alle ihre Mädchen hatten einen Hauch farbigen Blutes für den Geschmack.
Clarence meinte, dass die Herzogin selbst mehr als nur einen Hauch hatte.
„Soll ich dich ausziehen, Henri?“, fragte Violet.
„Es sei denn, du willst, dass ich vollständig bekleidet mit dir schlafe.“
„So geht es besser.“ Sie glitt auf seinen Schoß und spreizte die Beine. Dann fing sie an, ihn auszuziehen. Ihre Hände strichen über seine Haut, und er ließ den Kopf in den Nacken sinken.
Noch mehr Schweiß rann Nicolette in die Augen. Die Luft in dem Schrank wie auch im Rest von Florences Zimmer roch fürchterlich – so schlimm, wie Rizinusöl schmeckte. Fanny hatte erzählt, dass der Geruch von der Medizin stamme, die die Frauen benutzten, um die Männer zu waschen.
Während Violets Hände über den Mann flogen, starrte er auf die Glühbirne, die von der Decke baumelte.
„Du riechst wie eine Hure“, sagte er. „Nach dem Mann, der dich zuletzt hatte.“
„Ich dufte nach Veilchen, Monsieur.“
„Wie das billigste Duftwasser aus dem Kaufhaus.“
„Vielleicht schenkst du mir dann einfach ein teures Parfum, das ich nur für dich trage. Du hast schließlich keine Ehefrau, für die du das Geld ausgeben müsstest, Henri.“
„Das wird sich demnächst ändern.“
Violets Hände hielten einen winzigen Moment inne. „Dann kommst du nicht mehr hierher, um Violet zu besuchen?“ Nicolette hatte den Eindruck, dass sie erleichtert klang.
„Ich glaube nicht, dass ich das gesagt habe.“ Er beugte sich vor, damit sie ihm das Hemd ausziehen konnte. Seine Hände blieben auf ihrer Taille liegen, ehe er über ihre Brüste strich. Er umklammerte sie und hielt sie mit einer Hand fest.
Nicolette hörte, wie Violet kurz und scharf einatmete. „So winzige Brüste für eine Hure“, knurrte er. „Ich weiß
überhaupt nicht, warum ich mich mit dir abgebe, Vi.“
„Weil ich dir Vergnügen bereite“, erwiderte sie. Nicolette runzelte die Stirn. Violet klang komisch. Der Mann zog an ihren Brüsten.
„Gefällt dir das?“
„Oh, oui.“ Sie wimmerte leise, tief in ihrer Kehle, und Nicolette war sich sicher, dass sie log. Der Mann hatte ihr wehgetan.
„Ich mag es, wenn du wimmerst. Keine Frau sollte vergessen, wer die Zügel in der Hand hält.“Sie knöpfte seine Hose auf und schob ihre Hände hinein. „Henri“, flüsterte sie. „Komm in mein Bett.“
„Hast du nicht etwas vergessen?“, fragte er.
„Ich werde dich dort
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