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Bis zur letzten Luge

Bis zur letzten Luge

Titel: Bis zur letzten Luge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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Mr Rafe aufsagte.
    Und sie wusste auch, dass sie die Songs, die Clarence Valentine mit ihr übte, besser nicht sang. Nicht, dass mit dem Text etwas nicht stimmte – zumindest glaubte sie nicht, dass da etwas nicht stimmte. Doch sie sollte eigentlich nicht in die Salons gehen, wenn die Herren dort waren, und das hieß auch, dass sie die Texte von Clarences Songs eigentlich gar nicht kennen durfte. Sie hatte das ganz allein herausgefunden, und sie war froh darüber. Mr Rafe war – abgesehen von der Herzogin – einer der wenigen Menschen, die sie nicht mochten. Und wenn sie daran schon nichts ändern konnte, wollte sie ihn nicht unnötig noch wütender machen.
    Sie ging über den Rasen, der neben der Auffahrt wuchs, bis sie den Weg überqueren und über die Austernschalen gehen musste. Ihre Füße waren abgehärtet, aber sie mochte es nicht, wie die Schalen unter ihnen knirschten. Die Herzogin hatte darüber gesprochen, Steine verlegen zu lassen, doch dieses Vorhaben hatte sie nie in die Tat umgesetzt. Die Herzogin hatte immer zahllose Pläne und redete viel.
    Die Kutsche war geschlossen, was an einem so heißen Morgen ungewöhnlich war. Wenn Nicolette eine Kutsche gehabt hätte, dann wäre sie mit offenen Fenstern gefahren, hätte ihren Kopf rausgesteckt und hätte die kühle Brise über ihre Haut wehen lassen. Der alte Mann, der auf dem Kutschbock saß, sah sie an, als sie näher kam. Sie lächelte ihn gewinnend an, wie sie es von Violet gelernt hatte, aber er lächelte nicht zurück. Die Kutsche wirkte so alt wie der Mann und durch die Zeit genauso verwittert.
    „Soll ich eine Nachricht überbringen?“, fragte sie mit ihrer erwachsensten Stimme.
    Zwar antwortete er nicht, doch er hörte auf, sie anzustarren. Er wandte den Blick ab, als wäre ihr Anblick irgendwie schmerzhaft für ihn. Während sie wartete, klopfte er an die Wand der Kutsche. Sie fragte sich, was sie nun tun sollte. Dann ging die Tür auf.
    Eine Frau saß allein in der Kutsche. Nicolettes Lächeln erstarb. Männer zeigten sich ihr gegenüber ausnahmslos großzügig, aber bei Frauen war das etwas anderes. Sie hielten ihr Geld beisammen, so wie Tony Pete Troopers Zügel hielt, wenn er sie über den Hof führte. Sie machten ihr vielleicht die Haare oder ließen sie eines ihrer Kleider anprobieren, doch Geld war etwas ganz anderes.
    Die Frau starrte sie an. Plötzlich war Nicolette sich bewusst, wie dreckig ihr Gesicht war und dass ihr Kleidchen an ihren Beinen klebte. Sie kam trotzdem näher.
    „Lady?“ Nicolette machte einen Knicks. Es war ein Getue,bei dem die Herren immer lachen mussten. „Kann ich Ihnen helfen?“
    Die Frau nickte. Ihre Lippen bewegten sich, aber es kamen keine Worte heraus. Sie räusperte sich. „Kannst du hierherkommen?“
    „Sicher.“ Nicolette kam näher und reckte den Hals, um einen Blick in die Kutsche werfen zu können. Die Dame war älter als Violet, aber jünger als die Herzogin. Sie war weiß, mit weichen braunen Haaren und Augen, die so blassblau waren, dass sie Nicolette an einen wolkigen Himmel erinnerten.
    „Würdest du dich gern ein bisschen zu mir setzen?“ Nicolette runzelte die Stirn, bis ihr wieder einfiel, dass sie wie ein Äffchen aussah, wenn sie das tat. Violet hatte ihr das im Spiegel gezeigt. „Ist es warm da drin?“
    „Nicht sehr.“
    „Na gut.“ Eifrig sprang sie auf das Trittbrett. Im nächsten Moment saß sie der Dame gegenüber, die sie aufmerksam betrachtete.
    „Mein Gesicht ist schmutzig“, erklärte Nicolette, „obwohl ich es gewaschen habe. Gestern.“
    „Du … hast ein hübsches Gesicht.“
    „Violet sagt, die Männer werden mal viel Geld für mich bezahlen.“
    Die Frau vergrub ihre Finger in dem Sitz. „Wer ist Violet?“ „Meine beste Freundin.“ Nicolette dachte nach. „Nein, Clarence ist mein bester Freund.“
    „Und wer ist Clarence?“
    „Er spielt Piano im getäfelten Salon. Er singt auch. Professor Clarence Valentine. Haben Sie schon von ihm gehört?“
    „Nein.“
    „Er kann alles spielen. Two Step. Ragtime. Jazz. Manchmal singt er einen Blues. Aber erst spät am Abend, wenn die Herren gegangen sind. Singen Sie auch?“
    „Nein.“
    „Weiße Leute tun das auch nicht – jedenfalls nicht besonders gut. Das sagt Clarence.“
    „Singst du?“
    „Ja“, erwiderte sie stolz. „Clarence meint, ich hätte gerade genug Niggerblut in mir, damit ich richtig schön singen kann.“
    Darauf wusste die Frau nichts zu erwidern.
    „Was machen Sie hier?“, fragte

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