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Bis zur letzten Luge

Bis zur letzten Luge

Titel: Bis zur letzten Luge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
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anschließend ruhig in den Armen hielt, wusste sie, dass er recht gehabt hatte.
    Ihr Leben hatte sich für immer verändert.

15. KAPITEL
    A ls der Karneval New Orleans vollkommen im Griff hatte, war Aurore sich absolut sicher, dass sie ein Kind von Étienne erwartete.
    Ausnahmsweise gab Cleo, die Haushälterin, die ihre Meinung sonst nicht so frei kundtat, ihr freiwillig einen Ratschlag. Ja, Aurores Freundin, deren Monatsblutung ausblieb und für deren Magen der Geruch von Pferdeäpfeln mit einem Mal eine Qual war, war mit Sicherheit enceinte , schwanger. Cleo wusste auch, wie die Freundin die ungewollte Last loswerden konnte. Erschrocken über die Diagnose und die Abhilfe flüchtete Aurore, um über beides nachzudenken.
    Von ihrem Zimmer aus hatte sie einen Blick über den Garten, wo immer Blumen blühten. Ephraim, der Gärtner, und seine Männer gruben nach Plan alte Blumen aus und ersetzten sie. Aurore hatte die Morgen immer gehasst, wenn die verblühten Pflanzen dem Boden entrissen und herzlos auf einen Haufen geworfen worden waren. Dort waren die müden Blätter und Blüten in der Sonne verwelkt, bis sie weggeschafft worden waren.
    An diesem Tag, als die Spottdrosseln von Magnolie zu Magnolie flatterten, ersetzten der alte Mann und seine Leute Spargelkraut und winzige weiße Schneeglöckchen durch blassblaue Stiefmütterchen. Tulpen nickten in der Reihe dahinter mit ihren Köpfen. Sie standen kurz davor, in ihrer ganzen roten Pracht zu erstrahlen. Wenn sie verblüht wären, würden auch sie auf dem Karren des Gärtners enden, denn in Louisianas Klima hatten sie nur eine begrenzte Lebensdauer.
    Aurore war erhitzt. Sie konnte die Hitze auf ihrer Haut spüren, fühlte, wie sich Schweißperlen auf ihrer Stirn bildeten, doch sie wagte es nicht, das Fenster zu öffnen. Wenn sie hörte, wie Ephraim die Schneeglöckchen aus dem Boden riss, würde sie sich nur noch schlechter fühlen. Dann könnte siedie Galle, die in ihrem Hals hochstieg, nicht länger zurückdrängen und das Grummeln ihres Magens nicht mehr aushalten. Sie zog die Vorhänge zu.
    Ein Kind.
    Sie hatte keine Kinder gewollt. Was wusste sie schon darüber? Was wusste sie über die Sorge um ein Kind, darüber, ein Baby auf dem Schoß zu halten oder es mit Küssen zu bedecken? Wie lauschte eine Mutter geduldig dem unschuldigen Geplapper eines Kindes? Was erwiderte man darauf?
    Sie trug ein Kind unter dem Herzen. Étiennes Kind. Sie fragte sich, wie sie es ihm beibringen sollte. Trotz allem wurde ihr beim Gedanken an ihn seltsam schwindelig. Étienne, dessen dunkle Augen ihre geheimsten Gedanken lesen konnten, dessen schlanke, geschickte Hände ihre verborgensten Wünsche kannten. Sie hatte sich nicht vorstellen können, dass Liebe so war, dass sie je glauben würde, es gäbe nur einen Mann für eine Frau.
    Aber Étienne war dieser eine Mann für sie. Bis ihre Monatsblutung ausgeblieben war, hatte sie an nichts anderes als an ihn gedacht. Sie hatte wieder und wieder Lügen erfunden, um bei ihm sein zu können. Sie hatte ihren guten Namen aufs Spiel gesetzt und ihm ihre Jungfräulichkeit geschenkt. Sie hatte Sicherheit gegen Liebe eingetauscht. Und trotz allem würde sie es wieder tun.
    Wenn sie mit Étienne zusammen war, reichte das Feuer seiner Berührung aus, damit sie sich vollkommen hingab. Sie hatte herausgefunden, dass sie schwächer war, als sie gedacht hatte. Doch sie war auch stärker. Liebe war jedes Risiko wert. Ihr ganzes Leben lang hatte sie versucht, Luciens Liebe zu gewinnen, und sie war gescheitert. Sie hatte nichts getan, um sich Étiennes Liebe zu verdienen, und trotzdem hatte er sie ihr geschenkt, ohne eine Gegenleistung einzufordern.
    Sie ging im Zimmer auf und ab, hatte Angst stillzustehen. Lucien hatte feste Grundsätze, was das Zimmer seiner Tochteranging. In den vier Wänden befand sich nichts Bedeutendes, nichts, was von Stärke oder Mut sprach. Alles konnte mit einer Handbewegung zerstört werden. Doch Aurore war klar geworden, dass die eleganten Louis-Quatorze-Möbel, die Staffordshire-Hirtin auf dem Kaminsims und die Brüsseler Spitze, die in luftigen Falten von ihrem Himmelbett hing, gar nicht zu ihr passten.
    Sie erwartete ein Kind. Und obwohl Übelkeit in ihr rumorte, wusste sie, dass sie dieses Kind wohlbehalten zur Welt bringen würde. Das blasse kleine Mädchen, das manchmal nach Luft gerungen hatte und in Ohnmacht gefallen war, hatte sich zu einer starken Frau entwickelt. Ihr Körper würde das Baby, das in ihr heranwuchs,

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