Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bis zur letzten Luge

Bis zur letzten Luge

Titel: Bis zur letzten Luge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richards Emilie
Vom Netzwerk:
das Bild schützte. Die Frau aus Fleisch und Blut war warm. Eine vertraute Sehnsucht ergriff ihn, als er ihr Gesicht betrachtete. In den vergangenen Wochen hatte er aufgegeben, so zu tun, als hätte er Aurore verführt, um seine Familie zu rächen. Nichts von Lucien war in seiner Tochter wiederzufinden. Sie hatte durch die Hand ihres Vaters gelitten. Nicht so schlimm wie seine Mutter und Angelle, doch sie hatte eine schmerzhafte, lieblose Kindheit erlebt und ihre eigenen Wünsche und Träume auf dem Altar von Luciens Selbstsucht geopfert.
    Nachdem sie jahrelang um Luciens Liebe gekämpft hatte, hatte sie die Hoffnung darauf aufgegeben. Ohne Versprechungen war sie zu Étienne gekommen, war wie ein hungriges Kind zu ihm gekommen, das dankbar für jeden Krümel war, den er gab. Und was als Suche nach Rache begonnen hatte, hatte sich in das leidenschaftliche Verlangen gekehrt, sie immer an seiner Seite zu haben und sie zu beschützen.
    Ein Klopfen riss ihn aus seinen Grübeleien. Er legte das Foto in eine Schreibtischschublade und öffnete die Tür. Die leibhaftige Aurore stand vor ihm. Sie fiel ihm in die Arme, noch bevor er die Tür hinter ihr schließen konnte.
    „Was machst du hier?“, fragte er. „Ich dachte, wir hätten entschieden, dass es nicht sicher ist, wenn du hierherkommst.“ Er umarmte sie. Sie zitterte in seinen Armen.
    „Es erschien mir sicherer als das Büro.“
    Er strich ihr über das Haar, das sie mit einem Ansteckgebinde aus Zuchtperlen und weißen Seidenrosen zurückgesteckt hatte. Seine Hand blieb dort liegen, und er vergrub seine Finger in ihren Haaren. „Sicherer vielleicht, aber trotzdem nicht sicher. Weiß dein Vater, dass du ausgegangen bist?“
    „Ich habe gewartet, bis er nach oben gegangen ist. Ich sollte heute Abend eigentlich zu einer Feier gehen und hatte Angst, dass er mich begleiten würde, aber er ist nicht wieder heruntergekommen. Ich glaube, es geht ihm nicht gut.“ Sie sah ihn an. „Aber jetzt ist es egal, was er denkt, Étienne.“
    Er legte einen Finger unter ihr Kinn und blickte ihr tief in die Augen. „Komm erst einmal herein, und setz dich. Ich hole dir eine Tasse Kaffee. Du bist ja ganz durchgefroren.“
    Sie wurde noch etwas blasser. „Nein. Ich kann keinen Kaffee trinken.“
    Er runzelte die Stirn. „Lieber Tee?“
    Ihr Blick flatterte. Ein Mangel an Entschlossenheit vielleicht? Sie machte einen Schritt zurück. „Also gut.“
    Er führte sie zu einer kleinen Couch und ließ sie dort zurück.In der Küche stellte er den Wasserkessel auf und suchte nach Tee. Als er ein Tablett mit Tee bereitet hatte, stellte er es im Wohnzimmer auf den Tisch, der vor ihr stand. „Geht es dir etwas besser?“
    „Ja. Hier ist es warm.“
    Ihm fiel auf, dass sie ihren Umhang abgelegt hatte. Sie trug ein mauvefarbenes Kleid, verziert mit Perlen und Rosen, die zu denen in ihrem Haar passten. Ihre Haut wirkte so durchscheinend hell wie die Perlen.
    Auch wenn der Tee noch nicht genug Zeit gehabt hatte, um zu ziehen, schenkte Étienne ein und gab drei Stücke Zucker in Aurores Tasse. Dann reichte er sie ihr, auch wenn Aurore protestierte. „Trink das.“
    Sie nippte daran. Ganz allmählich kehrte die Farbe in ihre Wangen zurück. „Jetzt erzähl mir, was los ist“, sagte er, als sie ausgetrunken hatte. „Weiß dein Vater über uns Bescheid?“
    Sie schüttelte den Kopf. „Nein, aber das wird er bald.“
    Er wartete darauf, dass sie weitersprach. Sie wirkte gequält.
    „Hat er dir befohlen, jemand anders zu heiraten? Schickt er dich weg?“
    Wieder schüttelte sie den Kopf. Angst begann an ihm zu nagen. Er fragte sich, ob Lucien möglicherweise herausgefunden hatte, wer er wirklich war. Hatte er Aurore die ganze Geschichte erzählt? Während er noch darüber nachdachte, verwarf er die Möglichkeit wieder. Lucien konnte niemandem jemals anvertrauen, was er in der Nacht des Hurrikans getan hatte. Doch er konnte eine etwas veränderte Version erzählen, eine Version, die ihn von aller Schuld entband.
    „Hat dein Vater dich so durcheinandergebracht?“, fragte er.
    „Nein. Nicht mein Vater.“ Sie stellte ihre Tasse ab. „Es geht um uns.“
    Die Angst lähmte ihn. Aurore hatte bestimmt ihre Meinung geändert. Nur einen Schritt davon entfernt, eine endgültigeBindung einzugehen, hatte sie erkannt, was sie aufgeben würde. In leidenschaftlichen Momenten hatte er ihr versprochen, sich um sie zu kümmern und ihr eines Tages das reiche und erfüllte Leben zu bieten, das sie in New

Weitere Kostenlose Bücher