Bisduvergisst
spreche mit meinem Kollegen.«
»Ich frage mich, warum Julika diese CD bei sich hatte.« Leitner steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen und zündete sie an. Yoo Lim lächelte Nero verschwörerisch zu. Er musste zurücklächeln. In diesem Team wurde das Rauchverbot ohne viel Tamtam übergangen. »Der Neugruber Herbert hat ausgesagt, sie hätte ihn an dem Tag getroffen, aber nur wenig Zeit gehabt. Sie musste zu einer Probe.«
Yoo Lim tänzelte zum Fenster und sah hinaus. Sie erinnerte Nero an ein Fohlen. Unverbraucht, verspielt, kindlich.
»Meiner Ansicht nach«, sagte Nero, »müssen Sie diesen Neugruber mit dem Nacktscanner durchleuchten. Oder die Antwort auf alle Fragen ist ganz einfach. Neugruber hat Julika Cohen umgebracht und es war nichts als eine schnöde Beziehungstat. Vielleicht hat sie mit ihm Schluss gemacht.«
»Der Neugruber hat ein Alibi. Was zappelst du denn rum, Schlitzauge?«
Yoo Lim streckte ihrem Vorgesetzten die Zunge raus und hob keck den Zeigefinger. »Obacht, Chef, sonst wird eine Anzeige wegen rassistischer Äußerungen draus.«
Leitner lachte und hielt ihr eine seiner frisch gedrehten Kippen hin. »Der Friede sei mit dir. Magst eine?«
Yoo Lim ließ sich die Zigarette anzünden.
»Und Sie, Kollege aus der Landeshauptstadt?«
Nero grinste und griff nach einem Glimmstängel. Er versuchte, seinen Zigarettenkonsum auf ein ungefährliches Maß herunterzuschrauben und rauchte nur abends, zum Bier, oder zum Sex. Mit Kea im Bett. Kea, verdammt. Er fluchte innerlich. Wusste sich nicht anders zu helfen. Bei ihm zu Hause nannte man den Zustand, in dem er und Kea sich nicht mehr zurechtfanden, ›eine stille Mess‹. Es gab viel zu sagen, aber keiner machte den Anfang.
»Also, Alibi«, erwiderte Leitner, dessen Gesichtsfarbe mit dem Schub Nikotin wieder rosiger wurde. »Den Neugruber haben mehr als zehn Leute gesehen. Seine Clique bezeugt, dass er zum Zeitpunkt der Tat auf dem Turnierplatz rumhing und Bier trank. Die Burschen haben beim Aufbauen geholfen und sich danach ordentlich die Kante gegeben. Er war zu besoffen, um sich auf den Weg zu amourösen Abenteuern zu machen.«
Nero seufzte. Ihm wäre eine Beziehungstat lieber gewesen. Es graute ihm vor dem Suchen nach der Stecknadel im Heuhaufen. In seiner Branche fühlte er sich bereits erfolgreich, wenn er ein Wespennest auf dem Reißbrett einzeichnen konnte, auch wenn es kaum möglich war, es auszuheben. Die Cyberkriminellen waren zu gerissen, nutzten ungenügende Gesetzgebungen oder die Langsamkeit und Bestechlichkeit der Jurisdiktion in anderen Ländern. Phishing war ein weltweites Problem. Die Landshuter Kollegen würden den Mord vielleicht klären. Könnten einen Mörder dingfest machen. Aber eine Verbindung zu einem Phishing-Ring nachzuweisen, würde nicht gelingen. »Wir hören voneinander«, sagte er. »Rufen Sie mich an, wenn Sie was haben.« Er suchte nach einem Aschenbecher.
Yoo Lim zog eine Schublade auf und hielt ihm eine Untertasse hin. Er drückte seine Kippe aus. Dabei streifte Yoo Lims Hand wie zufällig seine Finger.
Schlange, dachte er, als er aus dem Büro ging und fast fluchtartig die Polizeidirektion verließ.
Montag, 29.6.09
Glücklich ist, wer vergisst,
was nicht mehr zu ändern ist.
»Die Fledermaus«
27
Ich hatte den Sonntag mit Schreiben verbracht. Nero hatte sich nicht mehr gemeldet, und wenn er beleidigte Leberwurst spielen konnte, dann gelang mir das auch. Am Montagmorgen packte ich meine Unterlagen und Irmas Fotos zusammen und fuhr nach Landshut. Kreuzkamp hatte am Wochenende Dienst geschoben und machte den Montag blau. Umso besser für mich.
Er wohnte in einem Ein-Zimmer-Apartment schräg gegenüber des Rathauses mit Blick auf das Treiben der Hochzeiter und die gotischen Prachtfassaden der Giebelhäuser, auf Wimpel und Banner.
»Sie sehen aus, als könnten Sie was Kühles zum Trinken brauchen«, sagte er. »Wie wäre es mit einem Prosecco?«
»Lieber einen Kaffee.« Ich hatte schlecht geschlafen. Neros Abfuhr nagte an mir. Zudem hatte ich erwartet, dass er anrufen oder simsen würde. Zum Teufel mit den psychischen Abstürzen, wenn das Handy nicht piepte.
Kreuzkamp machte sich in seiner Küchenzeile zu schaffen. »Wenn Sie sich nächsten Sonntag den Hochzeitszug anschauen wollen? Bei mir haben Sie einen Logenplatz frei!« Er wies zum Fenster. »Tickets gibt es seit Weihnachten keine mehr. Und wenn Sie sich einfach so an die Straße stellen wollen, müssen Sie im Morgengrauen anrücken
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