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Bisduvergisst

Bisduvergisst

Titel: Bisduvergisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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gab eine Menge Schwierigkeiten in meiner Branche. Zeitmangel, unzufriedene Kunden, die alle paar Stunden die Gliederung umwarfen oder seitenlange Passagen neu formuliert haben wollten. Aber in diesem Fall war ich wirklich unsicher, ob ich den Auftrag weiterbearbeiten sollte. Irma Schwand wollte ein Buch. Es ging mich nichts an, ob die Geschichte, deren Anfang sie mir in die Feder diktiert hatte, sich tatsächlich so zugetragen hatte oder ob sie ein Produkt von Irmas Fantasie war. Oder eine Mixtur aus verschwommenen Erinnerungen, Wunschdenken und Realität. Ich konnte nicht dingfest machen, was mich so irritierte.
    Mitten in meine Grübeleien klingelte das Telefon.
    »Laverde?«
    »Herzchen, hier spricht deine Adoptivmutter.«
    »Juliane, altes Haus!«
    »Danke für die Anspielung.«
    »Wie geht’s dir?«
    »Wenn ich dir wirklich sage, wie es mir geht, wirst du mir nicht glauben.«
    »Warum?«, fragte ich alarmiert.
    »Dolly ist auf dem absteigenden Ast. Sie macht es nicht mehr lange.«
    »Was ist denn passiert?«
    »Du weißt doch. Seit letztem Sommer hat sie furchtbar abgebaut. Ihr Gedächtnis versagt alle paar Minuten. Naja, heute früh hat sie mich nicht mehr erkannt. Ich kam aus dem Gästezimmer und wollte mit ihr frühstücken, und sie sagte: ›Was machen Sie in meiner Wohnung?‹«
    »Ach du Scheiße.«
    »Mit Soße.«
    Ich hatte von Dollys nicht gerade rosigem Gesundheitszustand gewusst, aber dass es so prekär war, erschütterte mich.
    »Duplizität der Fälle«, sagte ich und berichtete von Irma.
    »Sag bloß.« Juliane hörte sich niedergeschlagen an. »Ich kann Dolly auf keinen Fall allein lassen. Ich muss bei ihr bleiben, vielleicht sogar einen Platz im Altenheim für sie suchen. Obwohl sich das so anfühlt, als wollte ich sie im Knast abgeben. Aber sie kann unmöglich in ihrer Wohnung bleiben.«
    »Das tut mir leid, Juliane. Wenn ich dir irgendwie helfen kann …«
    »Lieb von dir, mein Schnuckelchen. Ich melde mich.«
    Sie legte auf, bevor ich auch nur Piep sagen konnte. Wenngleich Juliane nach außen abgeklärt wie ein Fremdenlegionär wirkte, hatte sie ziemlich nah am Wasser gebaut. Sie besaß ein großes Herz, in dem sie vielen einen Platz schenkte. Trotz der, wenn ich recht informiert war, drei Ehen in ihrem Leben war sie kinderlos geblieben. Allerdings war sie zu einer großzügigen Definition dessen fähig, wer ihre Kinder waren. In ihre Seele brannte ein warmes Feuer, und wer wollte, durfte sich daran wärmen. Ich ahnte, dass der Zustand ihrer Schwester sie aus der Bahn warf und nahm mir vor, sie morgen wieder anzurufen. Gerne hätte ich mit ihr über Neros unausgeglichenen Gemütszustand gesprochen.
    Deprimiert trank ich meinen Kaffee. Vermisste Neros tröstende Gegenwart. Vielleicht hätte ich mir anstelle von zwei Graugänsen lieber einen Hund anschaffen sollen. Ein Haustier mit Streichelqualität. Draußen verdunkelte sich der Himmel. Dieser Sommer brachte mehr Wolken als bayerisches Weiß-Blau.
    Nero. Und Cary Grant. Ich überlegte, ob ich den Abend im Piranha ausklingen lassen sollte. Früher war der Tanzclub mit den legendären Cocktails in Ohlkirchen meine Lieblingsanlaufstelle für einsame Stunden gewesen. Niemand würde in einem Dorf wie Ohlkirchen so eine Kneipe erwarten, aber das Piranha hatte sich einen Namen gemacht und lockte den Jetset aus den umliegenden Orten und sogar aus München an. Zuweilen hatte ich mich dort mit verlockender Manneskraft versorgt und einen Kerl mit heimgenommen. Für die Erotik, nicht für die inneren Werte. Einen, der mit dem eigenen Auto kam und am nächsten Morgen Fersengeld gab, ohne ein Frühstück serviert haben zu wollen. Cary Grant alias Magnus Kreuzkamp, der trübsinnige Lokalreporter, dem die ehrenvolle Aufgabe des Weltverbesserers noch nicht zugeflogen war: Er wäre ein Exemplar für eine Nacht gewesen. Für das kurze Vergnügen, das das Blut zum Kochen brachte, dann langsam abflaute und eine zarte Leere hinterließ. Seit ich mit Nero zusammen war, hatte ich keine Männer für eine Nacht mehr gesucht. Im Gegenteil, ich hatte zwei todsichere Anwärter abgewiesen, weil ich mir einbildete, Nero das schuldig zu sein. Ich trank meinen Kaffee aus. Wenn ich keinen Mann in greifbarer Nähe hatte, weil das einzige Exemplar, auf das ich mich eingeschossen hatte, in einer Mordermittlung feststeckte, und weil ich nicht wagte, diesem einen Exemplar untreu zu werden, wollte ich wenigstens mit mir selbst eine schöne halbe Stunde haben.

26
    »Hinter

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