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Bisduvergisst

Bisduvergisst

Titel: Bisduvergisst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friederike Schmöe
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getan haben?«
    »Es gibt Landshuter, die sich daran erinnern. Aber … wie soll ich sagen … es ist peinlich für eine kleine Stadt.«
    »Was ist peinlich? Zuzugeben, dass Idioten auf Gemeindegebiet leben? Nennen Sie mir einen hornochsenfreien Platz in der Welt!«
    »Mit mir redet keiner Tacheles. Nicht mit mir, dem Saupreußen. Mag sein, dass Martin Neugruber Leute aufgeknüpft oder erschossen hat. So viele Zeugen kann ich ja nicht mehr fragen.«
    Mir schwante etwas. »Sie wollen, dass ich mich umhöre?«
    »Wenn Sie so freundlich wären …«
    Ich verstand ihn nicht. Er gab sein Projekt freiwillig ab. Verlor den Überblick über seine eigenen Themen. Ziemlich unvorsichtig. Er lief Gefahr, seine Sicht der Dinge einzubüßen und ungeprüft die Perspektive einer anderen Person zu übernehmen.
    »Konkret: Ich habe noch mal mit Traudl Niebergall gesprochen. Aber sie hatte auch nichts als Gerüchte in der Hinterhand. Ihr Bruder könnte etwas wissen. Fragen Sie ihn.«
    »Ich?« Ich starrte ihn an. »Nein, mein Hübscher, das machen Sie mal schön selbst.«
    »Der Kirchler ist nicht gut auf mich zu sprechen.«
    »Warum ausgerechnet der Kirchler?«
    »Er war 1945 einer der wenigen Knaben, den sie nicht mehr eingezogen haben. Traudl sagte, er hätte seine Einberufung bekommen, aber wenige Tage, bevor er dran gewesen wäre, kamen die Amerikaner.«
    »Anrührend, wie Sie Ihre Infos mit mir teilen.«
    »Damit ist Traudl Niebergall erst jetzt rausgerückt.«
    »Sie machen mir Spaß«, sagte ich.

41
    Unheimlich! Kreuzkamp durchschaute mich bis ins Mark. Er hatte mir einen saftigen Knochen hingeworfen und wusste nur zu genau, dass ich dem nicht widerstehen konnte. Mistkerl. Ebenso machte er mir durch seine großzügige Geste begreiflich, dass ich viel besser als er in der Lage sei, aus dem launischen Kirchler die eine oder andere Kostbarkeit herauszukitzeln. Komplimente standen mittlerweile unter Artenschutz. Also nahm ich, was ich kriegen konnte. 20 Minuten später fuhr ich auf den Kirchler’schen Hof. Ein Schlepper stand quer vor der Haustür. Kirchler kletterte gewandt herunter.
    »Was wollen Sie schon wieder?« Er belastete sich wirklich nicht mit Höflichkeit.
    »Helfen Sie mir?«
    »Erbenermittlerin!« Er lachte ein graues, freudloses Lachen. »Sie schreiben eine Geschichte. So wie der Preuße, der Kreuzkamp. Euch Schmierfinken rieche ich gegen den Wind, auf Kilometer, wenn es sein muss.«
    »Wir versuchen die Gunst der Stunde zu nutzen und Zeitzeugen zu sprechen, solange sie uns noch einen Einblick in eine Zeit geben können, die meiner Generation und denen nach uns auf ewig verschlossen sein wird.« Meine Fresse, solche Sätze kriegte ich sonst nur zustande, wenn ich ein Glas Rotwein intus hatte.
    »Sie schmieren mir ganz schön Honig ums Maul.« Er wischte sich die Hände an den Arbeitshosen ab. »Also, zehn Minuten. Kommen Sie rein.«
    Teilsieg Nummer eins. Ich folgte ihm in eine niedrige Küche, wo er sich an einen langen Tisch setzte. Ich ließ mich ihm gegenüber nieder. Nebenan lief ein Fernseher in voller Lautstärke.
    »Meine Gerda hört nicht mehr so gut«, kommentierte Kirchler. Er griff nach einem halb vollen Bierglas. Mir bot er nichts an.
    »Man hört des Öfteren, dass gegen Ende des Krieges eine Reihe von Leuten auf mysteriöse Weise umgekommen wären«, begann ich.
    »Den ganzen verdammten Krieg über sind Leute abgekratzt. Da wurde gestorben wie im Rausch!«
    »Aber es ist korrekt, dass gerade in den letzten Kriegswochen ab und zu mal einer an einem Baum aufgeknüpft wurde!«
    Seine hellen Augen sahen mich aufmerksam an. »Ja. Das ist passiert. Bei uns im Gymnasium, da war ich vor ein paar Jahren mal als Zeitzeuge eingeladen. Die Kinder stellten die gleichen Fragen wie Sie.« Er nickte düster. »Ich selbst habe nur einen baumeln sehen. Ich war 18. Eigentlich hatte ich Glück. Ich habe nicht viele Tote gesehen.«
    »Wie war das eigentlich, in den letzten Kriegstagen, bevor die Amerikaner kamen?«
    »Wie das war?« Er musterte seine rissigen Hände. Dieser Mann hatte richtig geschuftet in seinem Leben, keine Frage. »Ab und zu hat mal einer von unseren Leuten eine Bemerkung fallen lassen. Wir sollten uns überlegen, wo wir uns in Sicherheit bringen, wenn … na, wenn wir schnell weg müssen.«
    »Hatten Sie Angst?« Manchen Kunden musste man die schwierigsten Fragen ganz direkt stellen. Angst gehörte zu den wirklich großen Themen. Wer wollte schon zugeben, dass er Angst gehabt hatte, egal in

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