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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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dir eins, Nanne,« sprang er auf einen anderen Gedankengang über, »daß Leute aus dem unteren und Mittelstande nie wahre Demokraten sein können. Das ist das Komische von der Sache. Schlichte Vornehmheit liegt ihnen so fern, daß Industrieritter immer frech und hochfahrend auftreten, wenn sie als ›Grafen‹ die Bürgerprotzen prellen wollen. Pelze und Juwelenringe gehören zum wichtigsten Handwerkszeug solcher Schwindler, während in unseren Kreisen jede Geckerei peinlich auffällt und wir uns möglichster Einfachheit in der Kleidung befleißigen. Die natürliche Logik sollte den Leuten doch sagen, daß man, je vornehmer man ist, desto weniger Wert auf Äußerliches legt, weil man es nicht nötig hat. Vincke erzählte mir mal gelegentlich, daß bei ihm zu Haus in Westfalen die hochmütigen Freiherrn, die sich altadeliger dünken als die Hohenzollern, oft in Bauernkitteln herumlaufen.«
    »Papa wäre auch fähig dazu«, lachte Johanna. »Und du hantierst ja in Hemdsärmeln zur Erntezeit herum.«
    »Das macht, weil wir Landritter innig mit dem wirklichen Volke zusammenhängen. Das Stadtgesindel aber, das sich allein Volk nennt, sowie die ›Arbeiter‹ sich so nennen, als ob alle anderen nicht arbeiteten, das kann sich Fürst und Adel nur als Karikaturen des eigenen Protzentums denken. Der sogenannte Männerstolz vor Fürstenthronen ist nur pomphafte Verlegenheit, Aufgeblasenheit und verkniffener Neid. Alle wahren Republikaner, Revolutionäre, Volksbefreier sind Aristokraten gewesen, die Geschichte ist voll davon: Cäsar und Catilina waren Patrizier aus den ersten Häusern, Holland und Venedig echte Adelsrepubliken, der englische Adel verfocht von Magna Charta bis Deklaration of Rights wahrlich nicht nur die eigene Sache, als er die Königsgewalt beschnitt. Die bezeichnendsten Sinnbilder sind Marino Falieri und ein Graf Monfort, der den Hirtenkittel anzog und sich an die Spitze der Appenzeller Bauern gegen die Fürsten und Raubritter stellte. Wir haben im Bauernkrieg auch so einen anständigen Revoluzzer, Florian Geyer von Geyersberg, den einzigen anständigen Idealisten unter der Bande, und vorher Sickingen und Hutten. Der Markgraf Mirabeau, Vater des Historischen, taufte sich ›Volksfreund‹ und vergeudete sein Riesenvermögen für Agrarreformen. Der beste Teil des französischen Adels focht im Revolutionsheergegen den äußeren Feind. So wenig ich die Franzosen leiden mag, ihr alter Adel imponiert mir doch, wie er meist den Staat und das Vaterland über das Königtum stellte. Wollte Gott, wir Deutschen könnten französischen Patriotismus nachahmen, statt Pariser Laster und Firlefanz nachzuäffen!«
    Er wollte und mußte sich aussprechen, dafür ist die Frau ja da als guter Kamerad und teilnehmende Zuhörerin. Doch Johanna unterließ nicht einzuflechten: »Das ist doch eigentlich traurig, daß Edelleute sich so vergessen können, gegen angestammte Herren von Gottes Gnaden zu rebellieren. Du sagst das, verzeih', als ob du es loben wolltest.«
    »Das nicht, das heißt – es kommt auf die Umstände an. Ich wollte nur ausdrücken,« er warf sich in die Brust und den Kopf zurück, »daß nur ein rechter Edelmann von altem Blutadel – Briefadel zählt nicht – sich von Fürsten nicht blenden läßt. Der steht zu nah' dem Thron, um in ehrfürchtigen Schauern zu zerfließen. Der sanfte Scharnhorst war ein Bauernsohn, doch so grob und ungeniert hat niemand den Fürstlichkeiten die Wahrheit gesagt wie Reichsfreiherr vom Stein und der olle Blücher. Die Demokraten preisen Stein als ›deutscher Freiheit Eckstein‹, und doch war der Mann erzfeudal, wollte den reichsunmittelbaren Adel wiederherstellen, um den Absolutismus zu brechen. Nie aber hat das Bürgertum so demokratische Förderer gehabt als ihn und Hardenberg. Übrigens steht es beim Cäsarismus der großen Fürsten nicht anders als bei dem der obersten Edelleute. Von Cäsar bis Friedrich dem Großen läuft hier der demokratische Zug. Das Volk kann sich nicht selbst befreien, dafür ist es zu eitel, egoistisch und kurzsichtig. Deutsche Einheit durch Volkssouveränität – daß ich nicht lache! Ich stelle es demütig dem Himmel anheim, aber so geht's nicht.«
    »Da bist du wieder im richtigen Fahrwasser.« Johanna schaute auf.
    »Die Hohenzollern haben sicher dem Volke wohlgetan, indem sie den Adel zähmten. Friedrich Wilhelm I. war ein schlimmer Tyrann, aber er hat die Staatsautorität als rocher de bronce stabiliert zugunsten des Allgemeinwohls. Ich lasse mir

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