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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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absolutistischen Zentralmonarchien festgelegt, sich nicht nur gegen freies Ausleben der Volkskräfte, sondern erst recht gegen das Nationalitätsprinzip richtete. Rußlands polnischer und Österreichs italienischer Besitz gaben dabei den Ausschlag. Unendlich bezeichnend floß die tragikomische Ironie ein, daß Englands Palmerston, der mit vieler Emphase die Meereskönigin als Beschützerin aller freiheitlichen Bestrebungen ausgelogen hatte, auf einmal giftig für Dänemarks heilige Tyrannenrechte eintrat. Diesem Druck vermochte der König in seinem Wirrsal nicht die Stirn zu zeigen, seit den Märztagen innerlich zu sehr gebrochen, um entschiedenen Zumutungen trotzen zu können. So ward Ende August ein siebenmonatlicher Waffenstillstand mit dem kleinen »Raubstaat an der See« geschlossen, und Preußen kroch zu Kreuze, obschon der Danebrog überall vom Festland verjagt.
    Der Schönhauser sann düster vor sich hin. Unter jetzigen Zeitläuften wahrscheinlich ein Fehler. Die Wut in Deutschland wird grenzenlos sein. Damit verliert der König auf einen Schlag jede Sympathie, auf die er sein sonstiges Spiel baute. Schleswig-Holstein meerumschlungen! singen alle deutschen Truppen begeistert, der Krieg war volkstümlich im ganzen Reich, auch bei uns, außer den verbohrten Junkern, zu denen man mich zählt. Daß ich freundlichen Auges auf die holsteinische Milizerhebung sah, kann ich nicht behaupten. Das roch wieder nach Demagogie. Aber der Untergang der Kieler Turner und Studenten griff mir ans Herz. Wieder ein Affront Deutschlands durch übermütiges Ausland. Eine Schande, daß unsere Ideologie sich immer selber ans Messer liefert. Das wird nie anders, bis nicht ein strammer Kerl ans Ruder kommt, der zu rechnen weiß und nicht heute tun will, was erst in zehn oder zwanzig Jahren erreichbar. Denn auch hier, was war zu tun? Rußland und England sind übermächtig, ein Erstarken der deutschen Nation paßt ihnen nicht, und daß manBettelpfennige für eine deutsche Flotte zustande brachte, erregte wohl Englands Eifersucht.
    »Du mußt wissen,« belehrte er seine Frau, »daß wir durch die Hansa die größte Seemacht neben Venedig waren, daß Lübeck allein den skandinavischen Königreichen gewachsen war. England zählte noch nicht. Das nahm alles ein Ende durch den gottverfluchten Dreißigjährigen Krieg, wo die Fremden sich unsere Gaue als Schlachtfeld aussuchten, wo Deutsche gegen Deutsche fochten, Deutsche in schwedischem und französischem Sold gegen den deutschen Kaiser!«
    »Den Papisten!« rief die Gattin eifrig, »das war für die heilige Religion.«
    »Ach, Quatsch! (Bitt' um Verzeihung!) Das war für den Egoismus der Kleinstaaten. O Gott, daß doch nie ein Bruderkrieg wieder wüte! Sind wir denn von Gott geschaffen, uns pour les beaux yeux des verflixten Auslandes die Hälse zu brechen? Die Dänen, ein so kleines Volk, haben eine Flotte und hielten sich jetzt an unseren Küsten schadlos wie richtige Wikinger. Was war zu ändern? Der arme König hat immer Pech, er wird die Kosten tragen.«
    So war es. Der sogenannte Verrat an Deutschland erregte ungeheuere Entrüstung. Die Demokratie predigte: Da habe man mit Händen zu greifen, was man vom nationalen Ehrgefühl der Fürsten zu erwarten habe. Der Reichsverweser machte große Worte, sein Ratgeber Professor Dahlmann stolperte über die Wirklichkeit, das Frankfurter Parlament kapitulierte und unterschrieb Deutschlands Demütigung. Nun ging ein neuer Rummel los. Eine Volksversammlung auf der Frankfurter Pfingstweide proklamierte ziemlich unverblümt die Republik, am 18. September entbrannte ein wilder Straßenkampf, wobei die beiden Abgeordneten Fürst Lichnowski und General v. Auerswald der Volkswut zum Opfer fielen. Die preußischen Truppen, aus Mainz herbeigerufen, säuberten die Stadt; auch andere Putsche in Baden und Württemberg mißlangen. Doch die Versöhnlichkeit zwischen Regierungen und Völkern, der man zustrebte, war unheilbar geschädigt. Die breiten Massen verharrten in ihrer Erbitterung, während alle besitzenden Klassen offen oder heimlich von der Demokratie abfielen und sich nach den Fleischtöpfen Ägyptens selbst in reaktionärer Küche sehnten. Es folgten die furchtbaren Ereignisse in Wien und Ungarn, wo es zum Massenkampf zwischen Heer und Volksaufgebot kam. In Berlin nahm das Tumultuantentum überhand. Am letzten Oktobertag sah sich die Nationalversammlung in ihrem Sitzungslokal am Gendarmenmarkt, nämlich dem Schauspielhaus, von wüsten Volkshaufen

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