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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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»Johanna, dies ist Dr. John Lothrop Motley.«
    »Von dem ich so viel hörte, Sie sind mir kein Fremder.« Sie behandelte ihn wie einen alten Freund, bei ihrer fraulichen Herzlichkeit und vollkommenen Natürlichkeit fühlte er sich gleich zu Hause und nahm an betitelten »Swells«, die zu Tische kamen, mit der kühlen Sicherheit eines Yankee keinen Anstoß. Aber das brüderliche Du wollte nicht mehr recht von der Lippe, unwillkürlich sprachen die Jugendfreunde englisch miteinander, wo das Du wegfällt.
    »Sie sind beleibter geworden, Otto, das steht Ihnen gut bei Ihrer Länge. An Ihrer Stimme hätte ich Sie aber auf weite Ferne wiedererkannt, und Ihre Haltung, Ihr Betragen, kurz alles sind so die gleichen geblieben, wie man es selten findet. So jugendlich, daß es mir auffällt, so elastisch, so lebendig. Well , nun sind Sie also Staatsmann geworden, wie ich prophezeite.«
    »Staatsmann? Bah! Beamter bin ich.«
    »Diplomat. Wissen Sie noch, wie Sie sich mit Händen und Füßen gegen diese Möglichkeit sträubten? Jetzt haben Sie wohldie scheue Ehrfurcht vor diesen Eleusinischen Mysterien überwunden?«
    » Mysteries be damned ! Das Ganze ist ein großer Galimathias zur Betölpelung der Einfältigen. Und so was nennt sich ein Beruf, für den man Kameralia studiert!«
    Motley lachte. »Bei uns in Amerika verfährt man anders, da macht man Schriftsteller und Gelehrte zu Gesandten und fährt gut dabei. Wissen Sie, wer unser Gesandter in Madrid wird, ein Hauptposten für unsere Staatsbeziehungen? Longfellow der Dichter. Ich, wie Sie mich da sehen, bin für Wien in Aussicht genommen. Wir sind also bald Kollegen.«
    »Mein herzliches Beileid! Das ist ja famos. Und Ihre politischen Anschauungen?«
    »Sind natürlich die gleichen, demokratisch-republikanisch, das versteht sich bei Amerikanern von selbst. Der Wandel Ihrer Ansichten hat mich natürlich verwundert, doch Sie werden ja Ihre Gründe haben, da Sie so gut in die Karten schauen konnten.«
    »Ich änderte mich vielleicht weniger als Sie glauben«, meinte Otto bedächtig. »Sie kennen deutsche Verhältnisse doch nicht genügend, um meine Mauserung zu begreifen, warum ich aus einem lauen Liberalen ein eifriger Royalist wurde. Glauben Sie mir, mein Freund es geschah aus Vaterlandsliebe.«
    »Davon bin ich überzeugt. Ich höre, Sie sind auch zu tiefem religiösen Glauben bekehrt. Dazu gehört Mut in unserer Zeit. Nun, an Mut hatten Sie ja immer Überfluß. Doch mich däucht, Ihre Ehrlichkeit und Ihr hohes Ehrgefühl dürften Ihnen hinderlich sein. Wer seine Wahrhaftigkeit nicht unterdrücken kann, hat viel Gefahren in den Geschäften dieser Welt.«
    »Das ist mir Wurscht.« Er sagte es deutsch. »Bisher ging's leidlich damit. Hilft das wirklich, wenn keiner dem andern traut, weil jeder lügt und deshalb Lügen bei andern voraussetzt? Ehrlich währt am längsten.« Motley schüttelte leicht den Kopf. Der wird nie Premierminister werden. Er selbst war so nüchtern geworden, daß er die opulente Gastfreundschaft – er wohnte eine Woche bei Otto – nicht genießen konnte. Auf Ottos anglosächsische erste Frage: » What will you take ? Port, Champagner, Burgunder, Bordeaux, Lagerbier?« hatte er lächelnd abgewehrt: »Man wird mich auf die Straße setzen, weil ich ein zu geringer Konsument bin, alles, was ich für Sie tun kann, ist eine Masse Selterwasser trinken.«
    »So tief gesunken, lieber alter Kerl?« rief Otto erschüttert in trauerndem Mitleid. »Aber meine Havanna wirst du rauchen, es sind die besten im Lande.« Beim Scheiden war er der weitaus Bewegtere, obschon er den fröhlichen Studenten vermißte, der in seinem Gedächtnis lebte. »Wie alt sie alle werden!« klagte er Johanna. »Nur ich bleibe so schauderhaft jung.«
    »Jawohl, Ottochen, manchmal ein Kindskopf!« strich sie ihmzärtlich über die Stirn. Der Riese war ihr Kind, denn die Frau ist immer Mutter. Wie sagte doch Schopenhauer? Der Geniale bleibt sein Leben lang ein Kind – vielleicht weil er der stärkste Mann ist.
    Motley schrieb an seine Frau über Ottos »bemerkenswerte Talente«, welches » remarkabe « nachher Sprachunkundige mit »merkwürdig« übersetzten, hätte er doch wenigstens das Merkwürdige erkannt! Er pries auch Ottos Charakter sehr, aber das alles ohne wahre Wärme. Die menschliche Eitelkeit ist so maßlos unanständig, daß die »Freunde« großer Männer fast immer nur ihre Bekritteler sind.
    *

Anno Domini siebenundfünfzig erreichte die politische Influenza des Königs ihre

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