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Bismarck 01

Bismarck 01

Titel: Bismarck 01 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Bleibtreu
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Rittmeister vor der Front: Bitte eine halbe Pferdelänge mehr nach rechts oder links. Jetzt werde ich Sie mal meiner Frau vorstellen.« Dieser unterwarf sich sofort das echtpreußische ritterliche Offiziersgemüt. Mit einem Blick erkannte der weibliche Instinkt, daß der Jüngling wert sei, ein Vergötterer Ottos des Großen zu werden. Gilt es solchen Einsatz, sind alle weiblichen Frauen unwiderstehlich. Der jungeOffizier, von Tag zu Tag mehr von männlicher Verehrung für diese deutsche Frau durchdrungen, schwor Lehnseid auf Leben und Tod dem Hause Bismarck.
    Der Gewaltige hatte ihn richtig auf den ersten Hieb erkannt als jenen Typus, den nur wenige außer den eigenen Offizierskreisen kennen, den Normal- und Musterjüngling in Waffen, eine der schönsten Erscheinungen der ganzen Menschheit, den gebildeten preußischen Offizier. Bei diesen ausgezeichneten Menschen ist die bescheidene vornehme Zurückhaltung das halbe Leben, und daß sie den Umgang mit anderen Kreisen vermeiden, stammt keineswegs aus niedriger Überhebung, sondern aus tiefen menschlichen Gründen, die jeder Verstehende sehr wohl begreift. Sie tasten niemand an, sie verlangen gar keine äußere Rangstellung, wie der eitle Bourgeois ihnen zuschiebt, sondern nur, in Ruhe gelassen zu werden. Genau so wie das Genie. Ihre Losung heißt: Ich dien'. Obschon oft sehr hochgebildet, machen sie gar keinen Anspruch darauf, für geistige Begabung wollen sie keine Orden, dabei sind sie nicht nur klug, sondern feinhäutig in Empfindung und Beobachtung. Dieser junge Offizier umfing seinen Chef mit einem stillen Bewunderungsverständnis, um das ihn Louis Napoleon hätte beneiden können. Er notierte sich im Gedächtnis jede Wendung, jede geistvolle Geste Ottos und bewahrte sie so treu, daß er sie fünfunddreißig Jahre später der Öffentlichkeit anonym übermitteln konnte. Die sprühende und dennoch ruhige gesellige Laune, die scheinbar heitere Sorglosigkeit inmitten der Herren- und Damenwelt, nichts entging dem heimlichen Aufpasser.
    »Er sagt immer das Unerwartete«, lobte die gescheite Nelly Eisendecher diese urwüchsige Unerschöpflichkeit. Ab und zu tauchten geschulte Salonlöwen auf wie der sächsische Minister Baron Beust, der im Plaudern nur Arabesken malte und seine zierlichen Stiefeletten zeigte. »Sind die aus Handschuhleder? Wie elegant!« forschte die Komtesse de Montessuy. Auch sie erschauerte, als mal aus Paris der Duc de Morny, Napoleons Halbbruder, anlangte, müde und blasiert von seinen Eroberungen, umwoben vom Heiligenschein seiner illegitimen »napoleonischen« Abkunft, die in keinem Fall napoleonisch war.
    »Wissen Sie, mein lieber Baron,« äußerte er zu Beust, »dieser Preuße ist unstreitig ein superiorer Mann. Allein, er ist – Pardon – ein Deutscher. Einen großen Stil des Weltmanns wird nur ein Franzose und Engländer haben, allenfalls ein Italiener von sehr alter Familie, in gewissem rohen Sinne sogar ein russischer Fürst oder ein Madjare, ein Deutscher nie. Sie bleiben – nochmals Pardon – bürgerlich. Eine gewisse Freiheit von sogenannten moralischen Vorurteilen, eine vornehme Absonderung von der Canaille werden Sie niemals kennen. Dieser Preuße ist ein Mann von Welt, der französischste Deutsche, den ich je sah, aber dabei ein braver père de famille . Das reimt sich nicht. Ergefällt den Damen, natürlich schon äußerlich,« er streifte neidisch die Hünengestalt, seiner eigenen gebrechlichen Eleganz so unähnlich, »aber das Dämonische à la Byron wird kein Deutscher je besitzen. Die deutschen Damen sind keine Erzieherinnen zu Höherem, nicht kokett genug.« Ins Gesicht versicherte er Otto herablassend: »Sie sollten nach Paris kommen. Ihre Majestäten wollen Ihnen beide wohl, und Sie sprechen so gut französisch. Wir würden uns freuen, Sie als Gesandten bei uns begrüßen zu dürfen.«
    Das war des Pudels Kern: einen möglichenfalls Gefährlichen kaltzustellen. Als aber Beust giftig den Preußen einen Diplomaten in Holzschuhen nannte, dessen burschikoses Behagen er für schlechtesten Ton hielt, sah ihn Morny mit einem unsagbar blasierten Monokelblick an und dachte: wer in Tanzschuhen auf dem Holzweg hopst, sollte über so gutsitzende Holzschuhe nicht spotten.
    Und du sollst mein nicht spotten, keine anderen Götter neben mir! sprach aus Otto der preußische Gott, der »Dienst«. Der junge Anfänger lernte dies bald kennen. Soeben saß er in sehr vorgerückter Nachtstunde nach einem anstrengenden Ball bei einem Krug Bier,

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